Muscadet – Wein für den Sommer

Am Ende des Flusses

Rund um Nantes, wo die Loire nach langer Reise ins Meer fließt, scheint im Umland an mancher Stelle die Grenze zwischen Land und Wasser zu verschwimmen. Hier wird Salz abgebaut und von hier stammen mit die frischesten und knackigsten Weißweine Frankreichs.

Hierzulande wird Muscadet, das Weinbaugebiet, das die Hafenstadt Nantes umgibt, oft noch abgetan als Gebiet, aus dem lediglich belanglose Weine stammen. Dabei lässt man sich viel entgehen, denn wenige Weine können eine solche Lebendigkeit ausstrahlen, passen prima zu Muschel- und Fischgerichten und sind trotzdem auf eine erfrischende Art unkompliziert.

Die Loire, der längste Fluss Frankreichs
Vielleicht liegt die eher geringe Aufmerksamkeit fürs Muscadet daran, dass es ganz am Ende der Loire mit ihren gut 1.000 Kilometern Länge liegt. Und darüber hinaus findet man dort, bevor der Fluss dann ganz im Westen ins Meer mündet, schon eine Vielzahl spannender Weinbaugebiete, die sich oft in Stil, Rebsorten und Terroir unterscheiden.

Wer kommt schon bis Nantes, wenn davor Orte wie Sancerre, Vouvray, Chinon, Bourgueil, Cheverny oder Saumur liegen, in denen allesamt spannende Weine produziert werden und die jeder für sich eine gesonderte Beschreibung verdienen? Wer es zur Küste schafft, wird aber reich belohnt mit hübschen, unprätentiösen Dörfern, einer weiten, ursprünglichen Landschaft, gutem Essen und eben den frischen Weinen Muscadets.

Melon de Bourgogne, die unbekannte Rebsorte
Um Nantes herum wächst fast ausschließlich die Rebsorte Melon de Bourgogne. Sie stammt ursprünglich, wie der Name schon sagt, aus dem Burgund. Vermutlich ist sie aus einer spontanen Kreuzung zwischen einer Pinot-Sorte und Gouais Blanc entstanden. Heutzutage wird die Melon de Bourgogne fast nur noch im Muscadet angebaut. Muscadet nennt man deshalb oft sowohl das Weingebiet als auch die Rebsorte und die daraus gekelterten Weine.

Es hat historische Gründe, warum im Gebiet Muscadet fast ausschließlich Melon de Bourgogne angebaut wird. In Europa war der Winter von 1708 auf 1709 lang und eiskalt, er wird sogar als der kälteste der letzten 500 Jahre bezeichnet. Der langanhaltende Frost hat vor allem Frankreich getroffen, das in der Folge Missernten und eine große Hungersnot zu beklagen hatte.

Während die meisten Rebstöcke dem Frost zum Opfer gefallen sind, hat die Melon de Bourgogne dieses extreme Wetterereignis einigermaßen gut überstanden. Fortan wurde im Pays Nantais fast ausschließlich diese Rebsorte gepflanzt. Zudem gewann sie wirtschaftliche Bedeutung durch holländische Händler, die daraus Brände destillierten und nach Norden verkauften.

Boden, Klima und Rebsorte
Ob Zufall, historische Gegebenheit oder landwirtschaftliche Erkenntnis, erstaunlich oft passen die drei Faktoren Boden, Klima und Rebsorte im Weinbau zusammen. Hauptsächlich dann, wenn es um naturnahen Weinbau mit autochthonen Rebsorten der Region geht. So ist es auch bei Muscadet.

Das Gebiet ist in vier Appellationen eingeteilt, Muscadet, Muscadet des coteaux de la Loire, Muscadet Côtes de Grandlieu und Muscadet de Sèvre-et-Maine. In den verschiedenen Regionen herrschen Böden wie Sandstein, Lehm, Quarz, Gneis und Amphibolit vor. Bei Amphibolit handelt es sich um eine Umwandlung von Basalt unter Druck und hohen Temperaturen. Energetische, mineralische Böden also, die bei natürlicher Bewirtschaftung dem Wein seinen lebendigen Ausdruck verleihen.

Das Klima so nahe am Meer ist selbstverständlich atlantisch geprägt und gemäßigt. Bei manchen Muscadets vermeint man, das Salz des Atlantiks deutlich zu schmecken. Nur bei industriell, auf vordergründige Fruchtigkeit hin produzierten Weinen kommt dieser klare Hinweis auf die Herkunft nicht zum Ausdruck. Meist milde, feuchte Winter und gemäßigt warme und nicht allzu trockene Sommer bestimmen das Wetter. Allerdings ändern sich die Bedingungen auch hier durch den Einfluss der Klimaerwärmung.

Melon de Bourgogne ist an sich keine sehr ausdrucksvolle Rebsorte, im Geschmack ursprünglich eher neutral und von der Salzigkeit geprägt. Oft findet man auch Anklänge an Jod und etwas Algen.

Methode sur lie
Um den Weinen etwas mehr Ausdruck zu verleihen, sind die Winzer seit Langem dazu übergegangen, sie vor der Abfüllung für längere Zeit auf der Feinhefe reifen zu lassen. Daher der Begriff Sur lie, was so viel wie Auf der Hefe bedeutet. Diese Bezeichnung findet aufgrund der Verfeinerung, die der Wein erfährt, auch als Prädikat Verwendung.

Der Muscadet sur lie unterliegt strengeren Ertragsbeschränkungen als die nicht nach dieser Methode produzierten Weine. Er muss außerdem mindestens bis zum 1. März des auf die Lese folgenden Jahres Kontakt mit der Gärhefe haben. Das verleiht dem Wein eine feinere Säure, eine komplexere Struktur und frischere Aromen.

Lagerfähigkeit von Muscadet
Allgemein herrscht die Meinung vor, Muscadet-Weine ließen sich nicht besonders lange lagern und sollten dementsprechend jung getrunken werden. Tatsächlich kann man einen Muscadet schon in jungen Jahren mit viel Genuss trinken.

Trotzdem haben hochwertige Muscadets ein hohes Lagerpotential. Der Wein profitiert davon, was sich in einer komplexeren Struktur und Aromatik niederschlägt. Gereifte Muscadets haben oft mehr Tiefe und Dichte, trotzdem bleiben die frische Säure und der salzige Eindruck erhalten.

Manche Lagenweine haben deshalb ein Potential von zehn und mehr Jahren. Ein Beispiel dafür ist der Fief du Breil von Jo Landron, der in einem guten Jahrgang ganz hervorragend reifen kann.

Und was isst man zu Muscadet?
Erst mal frische Austern mit einem Spritzer Zitrone. Und dann bestellt man ziemlich sicher noch mal welche … Wenn man von Saint Nazaire die Küstenstraße entlang nach Norden fährt, findet man ohne allzu große Schwierigkeiten Bars, Imbisse und kleine Restaurants, die Austern und ein Glas Muscadet anbieten.

Auch Fischrillettes oder Gambas passen ganz hervorragend zu einem frischen Muscadet. Wer lieber vegetarisch isst, sollte seinen Fenchel-Orangen-Salat vielleicht lieber mit etwas Zitrone würzen, das verträgt sich mit dem Wein besser als Essig.

Zu den etwas komplexeren, dichteren Muscadets mit Lagerpotenzial kann es auch eine etwas kraftvollere Speise sein. Die aromatischen Jakobsmuscheln passen gut, auch Huhn mit leichten Röstnoten oder Kalbsschnitzel natur. Nicht zu vergessen die Käse der Region, ein leicht gereifter Tomme de Chèvre zum Beispiel passt sehr gut, um nur mal einen zu nennen.

Top-Muscadets von Jo Landron
Jo Landron zählt schon seit langen Jahren zu den Spitzenproduzenten im Muscadet. Zudem ist er einer der Wegbereiter des biodynamischen Weinbaus in der Region. Schon seit Ende der 90er-Jahre verzichtete Jo Landron auf chemische Pestizide, ab 2005 stellte das Weingut auf biodynamische Arbeitsweise um. Seit 2011 ist es zertifiziert. Davon profitieren die Böden, die Reben und letztlich auch der Wein. Immer vorausgesetzt natürlich, dass auf dem Weingut Wert auf saubere, präzise Arbeit gelegt wird. Jo Landron bewirtschaftet heute knapp 50 Hektar Rebfläche.

Diese Muscadets gibt’s in der Weinhandlung Kreis:

2022 Amphibolite Muscadet Sèvre-et-Maine, Jo Landron, Loire 

Sehr mineralischer, geradliniger Muscadet, etwas Jod und Salz, leicht zitrische Noten, knackig und frisch.

2021 Les Houx Muscadet Sèvre-et-Maine sur lie, Jo Landron, Loire 

Die Lage Les Houx ist von sandigen Lehmböden, Kieseln und Quarz geprägt. Der Wein bringt feine, elegante Fruchtnoten nach Zitrusfrüchten mit, auch etwas leicht Rauchiges, viel Mineralität und Spannung.

2018 Fief du Breil Muscadet Sèvre-et-Maine sur lie, Jo Landron, Loire

Der Wein stammt von 30 bis 40 Jahre alten Reben von Granit-, Gneis- und Orthogneisböden. Er wird in Betoncuves ausgebaut und liegt 30 Monate auf der Feinhefe. Dicht und vollmundig, die Aromen gehen in eine reifere Richtung, Kernobst wie Apfel oder Birne in Kombination mit einer feinen Hefenote. Der Wein ist jetzt gut zu trinken, hat aber noch Lagerpotential.

Melonix, Vin de France, Jo Landron, Loire 

Der Melonix stammt von sandigen Lehmböden im Muscadet-Gebiet, war den Prüfern aber nicht Muscadet-typisch genug. Aus diesem Grund hat Jo Landron ihn als Vin de France deklariert. Das tut dem Geschmack und der feinen Aromatik des Weins keinen Abbruch. Die bietet Blütennoten, reifere Apfelaromen, etwas Zitrus und Nuss. Auch hier schwingt eine gewisse Mineralität mit.

Von Mark Stichler