Colli Euganei – Eine einzigartige Vulkanregion in Venezien
Diego Bonardo führt das kleine Weingut Reassi in den wunderschönen Euganeischen Hügeln und konzentriert sich dabei auf den Anbau traditioneller Sorten. Bernd und Roxana haben das Weingut besucht, um mehr über die Gegend und Diego Bonardos Arbeitsmethoden zu erfahren.
Bevor Diego Bonardo den Hof seiner Familie übernahm, sammelte er reichliche Berufserfahrung in Übersee. Aus dem landwirtschaftlichen Mischbetrieb wurde schnell ein reines Weingut. Die Produktion hat er von billigen Fassweinen auf hochwertige biologische Erzeugerabfüllungen umgestellt. Heute verkauft er seine Weine zu 80% an die gehobene Gastronomie in Italien.
Obwohl die Colli Euganei überwiegend für Chardonnay, Merlot und Cabernet bekannt ist, stellt Diego Bonardo traditionelle Sorten in den Fokus, die fast vollständig aus der Region zu verschwinden drohten. Damit will er einen Beitrag zur Findung einer eigenen Identität des Gebiets leisten.
Im Interview mit Bernd erklärt Diego die Region, die zugleich Nationalpark Italiens und UNESCO Biosphärenreservat ist, mit allen Besonderheiten.
WK: Diego, wir befinden uns in den Colli Euganei. Kannst Du uns sagen, was hier so besonders ist?
DB: Dies ist eine kleine Vulkanregion. Nur etwa 20 Kilometer lang und 10 Kilometer breit. Wir befinden uns bei Padua, ganz in der Nähe von Venedig und Verona. Das komplette Gebiet ist ein Nationalpark, in dem es 101 kleine Hügel gibt, die alle vulkanischen Ursprungs sind und vor 40 bis 20 Millionen Jahren entstanden sind.
WK: Was gibt das Vulkangestein dem Wein, den Trauben?
DB: Im Grunde genommen gibt es geschmacklich Salz, Struktur, Mineralität. Dazu kommt noch das sehr spezielle Mikroklima. Die Weine erhalten einen sehr mediterranen Nachgeschmack, besonders mit zunehmendem Alter. Man kann die Unterschiede zu anderen Weinregionen wirklich
WK: Diego, du sagst, das Mikroklima sei sehr wichtig. Kannst Du das präzisieren?
DB: Die unterschiedlichen Klimazonen in unserem Gebiet sind wirklich sehr speziell. Auf der Ostseite des Gebiets ist der Einfluss der Adria zu spüren. Im südlichen Teil haben wir mediterranen Einfluss, im Westen ist das Klima ein bisschen wärmer. Im Norden, wo wir uns befinden, haben wir den Einfluss der Alpen und der Voralpen, auf die wir hier blicken. Es ist also eine frischere Gegend. In den Colli Euganei gibt es etwa 300 Erzeuger mit insgesamt etwa 4000 Hektar. Aber die Unterschiede der Trauben und der Weine aus dem Norden, Süden, Osten oder Westen des Gebiets sind bedeutend.
WK: Bei der Anreise haben wir viele kleine Weinberge und Landwirtschaft gesehen. Es ist eine wirklich schöne Landschaft mit kleinen Parzellen. Überall viele Büsche und Bäume in den Weinbergen.
DB: Die Region weist mit diesen vier Klimatypen und den kleinen Dörfern eine große Vielfalt auf. Das ist einer der Gründe, warum die Colli Euganei UNESCO-Biosphärenreservat geworden sind. Diese Biodiversität in Verbindung mit den kleinen Siedlungen ist ein wirklich interessanter Mix, den wir für die zukünftige Generation erhalten müssen.
Die Lese – Vollernter und Handlese
Wenn der Winzer entscheidet, dass seine Trauben reif sind, geht’s an die Lese. Dabei wird je nach Bewirtschaftung sehr unterschiedlich vorgegangen. Ein kleines, natürlich arbeitendes Weingut liest seine Trauben in der Regel von Hand. Ein großes, konventionell arbeitendes Weingut verwendet für die meisten Lagen so genannte Vollernter. Das sind Maschinen, mit denen man durch die Rebzeilen fahren kann. Dazu muss der Weinberg aber auch relativ gerade ausgerichtet und nicht zu steil sein. Außerdem müssen die Gassen zwischen den Rebzeilen breit genug sein.
Beide Methoden haben Vor- und Nachteile. Der Vollernter ähnelt einem Traktor, nur ist er höher und schmaler. Die Maschine wurde in den 60er-Jahren in den USA entwickelt. Mit dem Vollernter geht die Lese schneller vonstatten und man benötigt im Idealfall nicht so viele Arbeitskräfte. Er schüttelt die Beeren von den Trauben ab, befreit sie von Ästen und Blättern und kann auch Metallteile aussortieren.
Eine optionale Abbeermaschine kann zudem mitgeerntete Stängel, Rispen und Ähnliches entfernen. In der Sortiermaschine werden dann kleine, faulige Beeren und Trauben aussortiert.
WK: Was bedeutet der Name Reassi?
DB: Das ist ein Ausdruck aus unserem Dialekt. Er bedeutet „Erdrutsch“.
Die Vulkane haben hier ein sehr hartes Gestein namens Traquita (Anm.: Trachyt, ein Magmagestein) geschaffen. Der Markusplatz in Venedig wurde mit diesen Steinen gebaut. Auf dem Fels liegt nur eine dünne Schicht Mutterboden. Dazu kommt, dass das Gebiet sehr wasserreich ist. Meistens kann das Wasser im Fels nicht versickern. Wenn es auch nicht an die Oberfläche austreten kann, sammelt es sich zwischen dem Fels und dem Mutterboden. Dann kommt es oft zu Erdbewegungen an den Hängen. Hier, am Monte de la Madonna, das ist zweithöchsten der alten Vulkane, ist es besonders wasserreich und dieses Phänomen ist stärker als an anderen Standorten. Die Deformationen der Landschaft sieht man sehr gut an den vielen krummen Rebzeilen.
WK: Hilft Deine biologische Arbeitsweise, Erdrutsche zu verhindern?
DB: Wir wollen die biologische Vielfalt fördern. Biologische Vielfalt bedeutet auch, dass wir viele verschiedene Bäume und Hecken um den Weinberg haben. Deren Wurzeln halten den Boden stabiler. Insofern hilft das.
WK: Sprechen wir über den Pinello, den wir gerade im Glas haben. Das ist ein sehr origineller und ziemlich seltener Schaumwein. Warum heißt die Rebsorte Pinella und der Wein daraus Pinello?
DB: Ja, die Traube ist hier weiblich und der Wein männlich. Es gibt aber auch Winzer, die den Wein Pinella nennen. Wir machen einen Pinello frizzante mit zwei Gärungen im geschlossenen Tank.
WK: Die Colli Euganei sind eigentlich für Merlot, Cabernet und Chardonnay bekannt. Warum hast du dich für den Anbau einheimischer Trauben entschieden?
DB: Nun, im Fall der Pinella ist das einfach. Wir haben einen eigenen Weinberg damit, der 120 Jahre alt ist. Den wollten wir immer erhalten. In der Region baut kaum noch jemand Pinella an. Es gibt nur noch etwa 24 Hektar davon
In den Colli Euganei müssen wir eine Identität finden. Mit einen sehr guten Chardonnay ist das sehr schwierig, denn es gibt haufenweise sehr guter Chardonnays auf der Welt. Deshalb versuche ich mich bei den neuen Weinbergen auf die einheimischen Rebsorten zu konzentrieren, zu denen auch der Manzoni Bianco gehört.
Bis vor 20 Jahren hatten wir praktisch keine autochthonen Sorten. Aber als ich mich mit dem Thema beschäftigte, entdeckte ich etwa 10 Kilometer von hier eine Rebschule mit fast 20 verschiedenen alten lokalen roten und weißen Sorten. Das Problem war nur, dass man sie nicht mehr anbauen durfte, denn sie waren längst aus der Liste der genehmigten Sorten gestrichen.
Für die Erlaubnis, drei alte Sorten zu pflanzen mussten wir bis zum Landwirtschaftsminister gehen. Daraus wurde der L’Antenato. Wir pflanzten 2006 aber erst in 2017 durften wir den Wein als IGT bezeichnen. Inzwischen dürfen die Sorten offiziell in den Colli Euganei gepflanzt werden.
WK: Deine Weine haben viel Spannung und sind sehr präzise. Und, wie Du sagtest, ein bisschen salzig. Arbeitest du bewusst auf diese Eigenschaften deiner Weine hin?
DB: Ja, ich bevorzuge normalerweise eher vertikale Weine als Vollmundige. Durch unsere Ausrichtung nach Norden haben wir sehr gute Säurewerte, die für Frische und Spannung sorgen.
WK: Eine letzte Frage. Ich habe gelesen, dass der Spritz hier in Padua erfunden wurde. Würdest du aus deiner Pinella einen Spritz machen?
DB: (lacht) Wir stellen Pinellas nicht wirklich dafür her. Dafür kann man etwas anderes verwenden.
WK: Okay, und wenn Du trotzdem mit deiner Pinella einen sehr guten Spritz machen würdest, welchen Bitter würdest Du nehmen?
DB: In jedem Fall Luxardo, eine lokale Marke direkt aus der Nachbarschaft. Das ist noch ein echter Bitter. Nicht so süß wie die anderen. Aber lassen wir das lieber…
Von Bernd Kreis
Unsere Selektion von der Azienda Reassi:
2021 Antichi Reassi, Pinello Frizzante €11,60
2021 L’Antenato, Veneto Rosso IGT €13,80
Demnächst wieder verfügbar:
2023 Terre d’Argila, Colli Euganei Manzoni Bianco €14,80