Das Burgund, einst eine Region der Bodenständigkeit und Authentizität, steht heute vor großen Herausforderungen. Internationale Spekulation, Klimawandel und schwache Exportmärkte bedrohen diese weltberühmte Weinregion. Doch es gibt Hoffnung: Junge Talente und unbekannte Appellationen könnten das Burgund nachhaltig verändern.

Burgund – einst bodenständig, heute Spekulationsobjekt
Als ich 1989 zum ersten Mal durch die malerischen Dörfer des Burgunds reiste, erlebte ich eine Region voller Ursprünge. Beaune und Nuits-Saint-Georges waren verschlafene Städtchen, weit entfernt von der auf Hochglanz polierten Welt, die man heute vorfindet. Die Weingüter waren klein, familiär und unprätentios. Die Winzer selbst, verbunden mit ihrer Scholle, waren stur, stolz und überaus herzlich. Es gab wenige Touristen, dafür viele erstklassige Restaurants – von bodenständigen Herbergen bis hin zu den Drei-Sterne-Legenden wie Lameloise oder Bernard Loiseau.
Weine aus dem Burgund waren zwar nie billig, aber für Liebhaber erschwinglich. Die Preise spiegelten die harte Arbeit und das handwerkliche Können wider. Heute scheint diese Zeit unwiderruflich vergangen. Die Dörfer sind herausgeputzt, und die Region hat sich in ein Luxusziel verwandelt, das kaum mehr an seine ursprüngliche Winzerkultur erinnert.
Spektakuläre Transaktionen und ihre Auswirkungen
In den vergangenen Jahren haben spektakuläre Transaktionen die Weinwelt des Burgunds erschüttert. Ein besonderer Paukenschlag war die Übernahme der Domaine Clos des Lambrays in Morey Saint-Denis durch den Luxusgüter-Konzern LVMH im Jahr 2014. Nach den Übernahmen von Château Cheval Blanc und Château d’Yquem in Bordeaux investierte das börsennotierte Pariser Unternehmen, dessen Hauptaktionär Bernard Arnault – nach Presseberichten der reichste Franzose – ist, damit zum ersten Mal im Burgund.
Über den Preis wurde offiziell Stillschweigen gewahrt, doch die französische Tageszeitung “Le Figaro” schätzte den Kaufpreis auf etwa 100 Millionen Euro. Angesichts der Tatsache, dass der Weinbergsbesitz der Domaine nur 8,66 Hektar beträgt, erscheint dieser Kaufpreis astronomisch hoch. Er zeigt jedoch, dass die internationale Spekulation sich nach Bordeaux nun immer stärker aufs Burgund konzentriert und bereit ist, für das Renommé dieses Gebietes hohe Summen zu zahlen.
Ein weiteres Beispiel ist der Erwerb von 1,3 Hektar Weinbergen durch LVMH im Jahr 2024 für 15,5 Millionen Euro. Diese Parzellen umfassen prestigeträchtige Lagen wie Corton Grand Cru, Pernand-Vergelesses und Romanée-Saint-Vivant Grand Cru.
Thiébault Huber, Präsident des Verbandes der Winzer des Burgunds (CAVB), äußerte sich besorgt über diese Entwicklung: “Die Grundstückspreise sind nun in vielen Fällen völlig losgelöst von der wirtschaftlichen Realität der Weinbergsarbeit.”
Klimawandel und Wetterextreme
Parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung bringt der Klimawandel massive Herausforderungen. Früher galt das Burgund als ideal für Pinot Noir und Chardonnay: moderate Temperaturen und ein ausgewogenes Klima boten perfekte Bedingungen. Heute dominieren Wetterextreme die Erntejahre. Spätfröste, Hagel und Hitzewellen sind keine Seltenheit mehr. Der Frost im April 2021 vernichtete bis zu 80 % der Ernte in einigen Appellationen.

Eine stagnierende Preisentwicklung?
Die Preise für Burgunder sind in den letzten Jahren explodiert und haben viele Weinfreunde abgeschreckt.
In den asiatischen Exportmärkten, die lange als Wachstumstreiber für die Nachfrage nach Burgunderweinen galten, zeigen sich inzwischen deutliche Rückgänge:
– China: Der Export französischer Weine nach China sank 2023 um etwa 20 %. Ursachen sind veränderte Konsumgewohnheiten, wirtschaftliche Unsicherheiten und eine zunehmende Konkurrenz durch lokale Weine.
– Südkorea: Hier verzeichnete der Markt einen Rückgang von rund 30 %. Besonders betroffen sind Weine im Premium- und Luxussegment, da Konsumenten verstärkt auf preisgünstigere Alternativen ausweichen.
– Japan: Auch in Japan ging der Export um etwa 20 % zurück, was insbesondere auf die schwache Yen-Entwicklung und eine geringere Kaufkraft zurückgeführt wird.
Diese Entwicklungen betreffen vor allem das Luxussegment, da gerade hochpreisige Weine für asiatische Konsumenten weniger attraktiv geworden sind. Der weltweite Weinmarkt zeigt insgesamt Schwächen, und viele Gastronomen meiden die hohen Preise. Dies erinnert stark an die Entwicklung des Bordeaux-Marktes in den 1990er und 2000er Jahren. Die Auswirkungen auf die künftige Preisgestaltung und die globale Positionierung der Burgunderweine bleiben abzuwarten.


Hoffnung: Unbekannte Appellationen und junge Talente
Trotz all dieser Herausforderungen bietet das Burgund immer noch großartige Möglichkeiten für Entdeckungen. Die Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf weniger bekannte Appellationen, in denen junge Talente Außergewöhnliches leisten. Regionen wie Vézelay, das Auxerrois, die Haute Côtes oder die Côte Chalonnaise bieten fantastische Weine zu fairen Preisen. Winzer wie Goisot, Aladame oder Chevrot zeigen, dass Burgund auch abseits der ikonischen Appellationen hervorragende Qualität bietet.
Sogar an der renommierten Côte d’Or gibt es noch Produzenten, die sich dem Preiswahn entziehen. Lucien Boillot und Claude Maréchal sind Beispiele für Winzer, die Weine zu korrekten Preisen anbieten. Einige bekannte Domainen erweitern ihr Sortiment, indem sie Weine aus weniger bekannten Lagen vinifizieren. So können Liebhaber auch weiterhin Weine aus Spitzengütern wie Arlaud oder Pierre Morey zu erschwinglichen Preisen genießen.
Ausblick: Ein notwendiger Wandel
Die Zukunft des Burgunds bleibt spannend. Es ist denkbar, dass die Preise weiter stagnieren oder sogar leicht fallen. Sollte das geschehen, könnte sich die Region wieder mehr ihrer Ursprünge annähern. Viele Burgunderwinzer bedauern die Entwicklung der letzten Jahrzehnte selbst. Sie wünschen sich, dass der Charakter ihrer Region – bodenständig, sympathisch und authentisch – erhalten bleibt.
Das Burgund hat trotz aller Veränderungen seine Seele nicht verloren. Die Weine dieser Region sind nach wie vor legendär, und ihre Faszination bleibt ungebrochen. Es liegt an uns, diese Tradition zu bewahren und die neuen Generationen von Winzern zu unterstützen, die mit Leidenschaft und Innovation daran arbeiten, das Burgund in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Ein gutes Glas Burgunder erzählt von dieser Geschichte – und macht Hoffnung, dass das Erbe nicht verloren geht.
Eine Betrachtung von Bernd Kreis