Das Jura von der Wiese aus gesehen

Alles Käse oder was?
Die Weine aus dem Jura sind hochbegehrt, eigenwillig wie das Land und von den autochthonen Reben dort geprägt. Aber mal ehrlich: Wenn man durch diese schöne und raue Landschaft kommt, fallen zuerst die Wälder und saftigen Wiesen auf. Und darauf stehen Kühe, die uns mit mild desinteressiertem Blick betrachten, um sich dann wichtigeren Themen wie dem Gras, den Blumen und den Kräutern zu ihren Hufen zuzuwenden. Über den Käse im Jura …

Wenn man vom Jura spricht und die bemerkenswerten Weine erst mal außen vor lässt, muss man vor allem den Comté erwähnen. Dabei handelt es sich um einen Rohmilchkäse aus der Region Franche-Comté, der vielen als der König der Bergkäse gilt. Für die Produktion für diesen aromatischen Käse darf nur Milch von Kühen der Rassen Montbéliarde und Simmental francaise verwendet werden.
Dabei steuert die Simmental francaise einen relativ geringen Anteil bei, über 90 Prozent der Milch stammt von der Montbéliarde. Sie ist es also hauptsächlich, die uns auf dem Weg durchs Jura begegnet und die saftigen Gräser, Kräuter und Blumen für uns verarbeitet.
Kühe vor – Montbéliarde und Simmentaler
Vor dem Käse stehen die Kräuter und Gräser der Jura-Wiesen und vor allem die Kühe, die sie zu Milch verarbeiten. Nach der Holstein ist die Montbéliarde mit einem Anteil von 18 Prozent die zweithäufigste Milchkuh in Frankreich. Sie gilt als anspruchslos, robust und widerstandsfähig. Sicher ein Grund, warum sie hauptsächlich im eher rauen, wechselhaften Klima des Jura beheimatet ist.
Ein Faktor, der nicht unerwähnt bleiben sollte ist das relativ hohe Vorkommen der Kappa-Casein-Variante B in der Milch der Montbéliarde. Im Gegensatz zur Kappa-Casein-Variante A ist sie unter anderem wegen ihrer besseren Gerinnungseigenschaften für die Käseproduktion sehr gut geeignet.

Die Simmentaler weist ähnliche Eigenschaften auf wie die Montbéliarde. Sie gilt als robust, genügsam und gesund. Wenn man dann noch im wunderschönen Jura weidet, steht einem schönen Leben eigentlich nichts entgegen.
Allerdings dient die Simmentaler fast überall auf der Welt eher der Fleischproduktion. Nur in wenigen europäischen Ländern, in der Schweiz und in geringerem Maße im Jura wird die Simmentaler auch als Milchproduzentin genutzt. Dabei liefert sie – das sagen jedenfalls Schweizer Landwirte – eine gute Milchleistung bei hoher Qualität.
Comté – Käse mit langer Tradition
Jetzt aber zum Käse: Im Jura wird schon seit der Antike Käse hergestellt, als eine erste schriftliche Quelle gilt Plinius, der Ältere, der von der Käseherstellung in dieser Region berichtete. Man darf davon ausgehen, dass es sich dabei noch nicht um die Art Comté handelte, die wir heute kennen.
Allerdings organisierten sich die Bergbauern der Gegend bereits im Mittelalter in Kooperativen, Fruitières genannt. Die erste nachweisbare Fruitière entstand im Jahr 1273 im Dorf Deservillers, das gut 30 Kilometer östlich von Arbois liegt. Es war für die Klein- und Kleinstbetriebe damals einfach wirtschaftlicher, die Milch ihrer wenigen Kühe gemeinsam zu verarbeiten. In den Fruitières werden heute noch die großen Käseräder des Comté aus verschiedenen Milchbetrieben hergestellt.
Es gilt als ziemlich sicher, dass die Produktionsart des Comté auf den schweizerischen Gruyère zurückgeht. Früher bezeichnete man den Käse auch als Gruyère de Comté. Ursache dafür ist ein Konflikt, in Frankreich als Guerre de dix ans bekannt, der von 1634 bis 1644 stattfand und der Region nachhaltigen Schaden zugefügt hat. Viele Einwohner der Franche-Comté flohen vor dem Krieg und einer Pestepidemie in die nahegelegene Schweiz.
Als die Bewohner zurückkehrten, brachten sie neue Produktionsmethoden mit, durch die der Ertrag und die Qualität der Käse gesteigert werden konnte. Die Grundlage des Comté, wie wir ihn kennen, war gelegt. Ein Jahrhundert später, stieg die Nachfrage nach Comté deutlich und mit der Industrialisierung und damit aufkommenden schnelleren Transportmitteln wie der Eisenbahn auch die Verbreitung.

Bergkäse mit Prädikat – Die Herstellung
Der Comté erhielt 1952 als einer der ersten Käse Frankreichs das Qualitätsmerkmal AOC (Appellation d‘Origine Contrôlée). Seit 1996 ist er im Zuge der Umstellung auf die Bezeichnung Appellation d’Origine Protégé mit dem AOP-Label geschützt.
Hergestellt wird der Comté, wie gesagt, hauptsächlich aus Kuhmilch der Rasse Montbéliarde. Als Futter sind lediglich Gräser, Kräuter und im Winter Heu von den Wiesen der AOP-Region erlaubt. Ein Laib Comté muss zwischen 30 und 55 Kilogramm wiegen. Für einen im Schnitt 40 Kilogramm schweren Käse benötigen die Fruitières ungefähr 400 Liter Milch.
Bei der Produktion eines Comté erhitzt man die Milch in Kupferwannen – sogenannten Chaudières langsam auf 33 Grad und legt sie dann mit Lab dick. Das heißt, man benutzt Enzyme aus dem Labmagen von Kälbern, um das Milcheiweiß auszufällen. So wird die Milch eingedickt. Die nach der Gerinnung Dickete genannte Masse wird in kleine Stücke zerteilt und gut 30 Minuten auf eine Temperatur von 53 Grad erwärmt. Damit trennt man die Molke vom Käsebruch.
Der Bruch kommt in eine Pressform und wird 24 Stunden lang gepresst. Der Laib wird immer wieder gewendet, dann trocken gesalzen oder in Lake gelegt. Zur Zwischenlagerung kommt der Comté anschließend in einen Wärme- oder Reifungskeller. Während der unterschiedlich langen Reifezeit werden die Laibe regelmäßig gewendet und mit Salz eingerieben.

Qualitätskontrolle mit Punktsystem
Der fertiggestellte Comté kommt zur Beurteilung vor ein Gremium, das den Laib nach einem Punktesystem von 0 bis 20 bewertet. Über 14 Punkte erhält der Käselaib eine grüne Banderole mit der Bezeichnung Comté Extra. Bei einer Beurteilung von 12 bis 14 Punkten wird eine braune Banderole ohne besondere Bezeichnung vergeben. Fällt die Beurteilung unter zwölf Punkte aus, darf der Käse nicht als AOP-Comté verkauft werden.
Die Laibe dürfen zwischen 30 und 55 Kilogramm wiegen, müssen einen Durchmesser von 50 bis 70 Zentimeter und eine Höhe von 8 bis 13 Zentimeter aufweisen, außerdem einen Fettgehalt von mindestens 45 Gramm Fett pro 100 Gramm.
Geschmack und Reife beim Comté
Der Geschmack von Comté unterscheidet sich deutlich je nach Reife und der Jahreszeit aufgrund des unterschiedlichen Futters, das die Kühe zu sich nehmen. Comté muss laut dem Institut National des Appellations d’Origine mindestens vier Monate gereift sein, um sich Comté nennen zu dürfen.
Ein gereifter Comté bringt aber deutlich mehr Geschmacksvielfalt mit. 18 Monate Reife sollte er mindestens haben, natürlich kommt es aber auch immer auf den Einsatz an. Ab 24 Monate spätestens beginnt der Käse, salzige Einschlüsse zu entwickeln, die ihm zu seinem nussigen und oft fruchtigen Geschmack noch feine mineralisch-salzige Noten geben. Ab 30 Monate Reifezeit nimmt die Geschmacksvielfalt nochmals zu.

Comté und der passende Wein
Ein wirklich erstaunliches Geschmackserlebnis bietet der gereifte Comté – 36 Monate oder mehr ist top – im Zusammenspiel mit einem Vin Jaune aus dem Jura. Diese oxidativ ausgebaute Spezialität wird aus der Rebsorte Savagnin hergestellt und lagert nach dem Gärprozess noch mindestens sechs Jahre und drei Monate im Barrique-Fass. Während dieser Zeit verdunstet ein gewisser Prozentsatz des Weins im Fass, der nicht aufgefüllt wird. Nach der Reifezeit wird er in Clavelins abgefüllt, in eine spezielle Flaschenform mit einem Inhalt von 0,62 Liter.
Im Zusammenspiel mit dem Comté kommt eine erstaunliche Geschmackspalette zutage, die über blumige, kräutrige, fruchtige und salzige Aromen geht, oft auch Salzkaramell, Nüsse und Ähnliches. Anstatt eines vergleichsweise teuren Vin Jaunes kann man auch einen oxidativ ausgebauten Savagnin dazu trinken. Die Geschmackspalette ist ähnlich, der Wein muss aber nicht nach den speziellen Richtlinien des Vin Jaune ausgebaut sein.
Alternativ passen auch weniger komplexe, frische und fruchtige Weißweine wie ein mineralischer Sancerre oder Sauvignon aus der Touraine dazu. Wichtig ist dabei, dass Frische und Mineralität im Vordergrund stehen, nicht die Primärfruchtigkeit. Auch ein von den Kimmeridge-Kreideböden des nördlichen Burgund bei Auxerre und Saint-Bris geprägter Sauvignon gris passt sehr gut.

Zum 2016 Vin Jaune Les Bruyères, Domaine A. et M. Tissot, Arbois
Zum 2023 Sancerre Les Créots, Domaine Vincent Pinard, Sancerre
Zum 2020 Cuvée Corps de Garde Saint-Bris, Domaine G. et J.-H. Goisot, Bourgogne

Morbier: Reife und der passende Wein
Morbier muss mindestens 45 Tage reifen, die Käselaibe wiegen bei einem Durchmesser von 30 bis 40 Zentimeter zwischen fünf und acht Kilogramm. Jung bietet er einen cremigen Rahmgeschmack, mit zunehmender Reife bekommt er mehr Würze und eine leichte Fruchtigkeit.
Als Weinbegleitung passt ein frischer, nicht oxidativ ausgebauter Chardonnay aus dem Jura sehr gut. Die etwas fruchtigeren, mineralischen Sauvignons aus der Touraine, aus Sancerre oder Menetou-Salon schmecken ebenfalls prima dazu.

2022  Les Graviers Arbois Chardonnay, Domaine A. et M. Tissot, Arbois
2023 Sauvignon blanc, Domaine François Chidaine, Touraine

Mont d‘Or
Zuerst einmal ist der Mont d‘Or ein knapp 1500 Meter hoher Berg im Juragebirge. Nach ihm ist aber auch der cremige Weichkäse aus dem französischen Jura benannt. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es gibt sozusagen zwei Mont d’Or – jetzt nur auf die Käse bezogen. Den Vacherin Mont d’Or aus dem schweizerischen Waadtland und den französischen mont d’or, der nach dem Oberlauf des Flusses Doubs auch Vacherin du Haut-Doubs heißt. Ein Unterschied ist die Schreibweise. Die französische Variante wird oft klein geschrieben.
Weitere Klärung der Bezeichnungen ist hier wichtig, zumal wir uns im Grenzland zweier großer Käsenationen wie Frankreich und der Schweiz befinden. Denn zumindest in Aussehen und Geschmack ähneln sich die beiden Käse. Die französische Variante darf allerdings nur aus Rohmilch hergestellt werden. Und während die Franzosen ihren mont d’or schon 1981 mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung versehen haben, hat die Schweizer Version das Prädikat erst seit 2003.

Mont d’or – ein heißer Tipp
Klar, der mont d’or lässt sich einfach kalt und mit Brot genießen. Seine wahre Aromenvielfalt und Cremigkeit kommt aber zum Tragen, wenn man ihn erhitzt. Dafür heizt man den Ofen auf 200 Grad vor, nimmt den Deckel des Käses ab, belässt ihn aber in der Schachtel. Die Oberfläche wird regelmäßig eingestochen, die Holzschachtel am besten mit Alufolie umwickelt.
Anschließend steckt man kleine, geschälte Knoblauchzehen in den Käse. Wie viele, das muss jeder selbst wissen, ein bis zwei sollten es aber schon sein. Wer absolut keinen Knoblauch mag, kann diesen Schritt natürlich überspringen. Dann kommt noch ein Schuss Weißwein über den Käse. Anschließend schiebt man den mont d’or für 25 bis 30 Minuten in den Ofen. Man kann ihn wie beim Fondue einfach mit Brot essen oder mit dem Löffel über gekochte Kartoffeln geben.
Weintipp von Bernd Kreis
Mont d’or ist eine der Lieblingsspeisen von Bernd Kreis. Deshalb haben wir nachgefragt: Was gibt’s bei der Familie Kreis zum mont d’or aus dem Ofen?

2018 Savagnin Sous Voile, M. et S. Tissot, Arbois
2022 Junges Schwaben Riesling, Jochen Beurer, Württemberg

Andere Jura-Käse
Natürlich gibt es noch andere Käse aus dem Jura, die ebenfalls eine Erwähnung verdient haben. Man könnte die Liste lange fortsetzen … Wenigstens zwei seien aber noch erwähnt: Der Bleu de Gex ist ein Blauschimmelkäse aus Kuhmilch, der im Jura ebenfalls gerne geschmolzen mit Kartoffeln gegessen wird.
Tomme de Jura wird aus Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch beziehungsweise aus einer Mischung der drei hergestellt. Unter der Bezeichnung Tomme wird in vielen Regionen Frankreichs, Italiens und der Schweiz Käse produziert, meist aus Rohmilch. Es sind in der Regel halbfeste Schnittkäse, die je nach Lagerung würzig-kräftig schmecken können.

Von Mark Stichler