Der Druck steigt
In Teil 2 unserer Reihe über das Leben und Arbeiten im Weinberg und Keller geht’s um den Sommer. Gibt’s da überhaupt was zu tun oder schauen unsere Winzer nur ihren Reben beim Wachsen zu? Von wegen …
Im Frühjahr gab’s an manchen Orten Hagel, im April kam der Frost. Was der übrig gelassen hat, bedarf der Pflege, gerade in solch einem feuchten Jahr wie 2024 es bislang ist. Da steigt am Anfang des Sommers der Pilzdruck enorm. Oidium und Peronospora gedeihen bei den warmen, feuchten Tagen und eher kühlen Nächten ziemlich gut.
Oidium und Peronospora
Oidium oder der Echte Mehltau befällt die grünen Pflanzenteile und ist meist auf der Blattunterseite zu erkennen. Bei jungen Blättern kommt es zu Deformierungen. Beeren selbst werden bis zum Beginn der Zuckereinlagerung befallen. Der Pilz bewirkt unter anderem die Schwächung der Haut, die häufig aufplatzt oder gegen andere Parasiten weniger widerstandsfähiger ist. Oidium ist ein Import aus Nordamerika. Den Wildreben dort konnte er wenig anhaben. Mitte des 19. Jahrhunderts kam der Pilz nach Europa und schädigt seitdem in allen Weinbauregionen die Qualität der Reben nachhaltig. Je nach Resistenz der Pflanzen, Jahresverlauf und den Maßnahmen, die ergriffen werden, mal mehr, mal weniger.
Peronospora oder der Falsche Mehltau stammt ebenfalls aus Nordamerika und ist seit Ende der 1870er-Jahre in Europa aufgetaucht. Peronospora viticola ernährt sich vom lebenden Pflanzengewebe der Reben. Zuerst sichtbar wird der Pilz als heller Fleck auf der Blattoberseite, später als wie mit Mehl bestäubte Stelle an der Blattunterseite. Die Beere selbst trocknet später vollständig aus.
Was tun gegen Pilzdruck?
Gegen die Pilzkrankheiten gibt es verschiedene Mittel. Viel hängt davon ab, welche Bewirtschaftung das jeweilige Weingut betreibt. Konventionell, bio- oder biodynamisch zertifizierte Betriebe wählen natürlich jeweils andere Wege der Bekämpfung der Pilze.
Alle Weinbaubetriebe sollten durch eine locker aufgebaute Laubwand auf jeden Fall für eine gute Belichtung der Pflanzen sorgen. Dadurch können die Beeren zügiger eine widerstandsfähige Beerenhaut entwickeln. Eine gut durchlüftete Laubwand trocknet nach Tau oder Regen schneller. Das wiederum bedeutet weniger Pilzbefall. Verdichtete Stellen im Laub dagegen erhöhen die Anfälligkeit und erschweren die Bekämpfung.
Auch Schwefel kann in allen drei Betriebsformen eingesetzt werden. In akuten Zeiten, in denen es warm und trockener wird, sollten die Spritzabstände besonders eng sein. Dann sollte mindestens einmal pro Woche gespritzt werden. Früh morgens oder am Abend ist in der Regel die beste Zeit dafür, da der Schwefel bei starker Sonneneinstrahlung schnell auf den Blättern verbrennt.
Je näher der Lesezeitpunkt rückt, desto gefährlicher wird der Einsatz von Schwefel, da er beispielsweise durch Rückstände die Traubenqualität mindern oder Fehltöne begünstigen könnte. Der Winzer muss auch besonders auf die Dosierung achten, da ansonsten andere Nützlinge im Weinberg geschädigt werden können.
Für konventionelle und Bio-Betriebe gibt es zusätzlich noch Fungizide, die mit Schwefel gemischt werden können und für eine Eindämmung des Befalls sorgen sollen. Oft zeigt sich bei verschiedenen Pilzstämmen aber eine schleichende Resistenz gegen diese Mittel. Sie sollten deshalb schon vorbeugend oder sehr früh ausgebracht werden. Kaliumphosphonat – früher auch für Bio-Betriebe zugelassen – ist inzwischen nur noch für konventionell arbeitende Weingüter erlaubt.
Pilzbekämpfung in Bio-oder biodynamisch zertifizierten Betrieben
Das Bundesinformationszentrum für Landwirtschaft beispielsweise empfiehlt eine Förderung des Bodenlebens durch die Ausbringung von Kompost oder Fermentgetreide. Auch eine Strohdecke am Boden soll bei Peronospora infektionshemmend wirken. Ansonsten stehen lediglich Präparate auf Kupferhydroxid- und Kupfersulfat-Basis zur Verfügung.
Zur Stärkung der Pflanzen hat sich wohl schwefelsaure Tonerde bewährt. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, in Gebieten mit häufig auftretenden Pilzbefall vermehrt PIWI-Rebsorten – gezüchtete pilzwiderstandsfähige Rebsorten – zu pflanzen.
Und sonst? Heften, Wipfeln, Wickeln
Unkraut am Boden kann entfernt werden, während ansonsten Bodenarbeiten in dieser Zeit eher ruhen sollten. Je nach Betriebsführung und Philosophie gehen die Ansichten, bei welcher Pflanze es sich um Unkraut handelt, wahrscheinlich auseinander.
Außerdem müssen die Triebe angeheftet werden, um beispielsweise Windbruch zu verhindern. Auch das Höhenwachstum der Reben sollte begrenzt werden. Das geschieht in der Regeln durch das so genannte Wipfeln, das heißt das Kappen der Triebe oberhalb des gespannten Drahtrahmens. Damit kann mehr Energie in die Ausbildung der Trauben fließen und außerdem ein zu dichtes Laubdach verhindert werden, das ansonsten wiederum zu einem zu feuchten Mikroklima führen könnte.
In letzter Zeit gehen vor allem Bio- und biodynamisch arbeitende Betriebe dazu über, die jungen, elastischen Triebe nicht zu kappen, sondern um den obersten Draht des Rahmens zu wickeln. Dadurch fließt die Energie kontrollierter ins Traubenwachstum, zudem verhindert die Methode besser die Ausbildung von eventuellen Geiztrieben, die beim Wipfeln entstehen können.
Grüne Lese
Um den gesunden Trauben mehr Energie zuzuführen, führen die Winzer im Lauf des Sommers in der Regel eine so genannte grüne Lese durch. Dabei werden schlecht entwickelte, eben grüne Trauben oder verrieselte Blüten und Beeren entfernt. Verrieseln heißt, ein bestimmter Prozentsatz an Blüten oder kleinen Beeren werden abgestoßen. Das kann verschiedene Ursachen haben: An den klimatischen Bedingungen nach der Blüte, an Licht- oder Nährstoffmangel oder dem falschen Einsatz von Herbiziden. Einige Rebsorten neigen aber einfach verstärkt zum Verrieseln.
Zumindest dem Licht- und Nährstoffmangel kann durch bereits oben erwähnte Arbeiten wie Wipfeln oder wickeln entgegengewirkt werden. Auch das Ausgeizen von überflüssigen Trieben bringt mehr Energie für die Beeren. Aber: Nie kommen alle Beeren am Rebstock zur vollständigen Reife. Das ist normal, da die Pflanze nie alle Blüten voll entwickeln kann. Man spricht je nach Sorte und Jahr von 30 bis 60 Prozent der Blüten, die sich nachher zu reifen Beeren entwickeln.
Arbeiten im Keller
Im Keller gibt es in dieser Phase tatsächlich nicht so wahnsinnig viel zu tun. Allerdings bereiten sich die Winzer gegen Ende des Sommers natürlich schon mal auf die Lese vor. Das heißt, die Fässer müssen geschrubbt werden, der Platz für die Presse muss freigeräumt werden – sofern sie, wie bei kleinen Betrieben nicht unüblich – keinen festen Standort hat. Doch das nimmt bei den Arbeiten, die im Sommer auf einem Weingut anfallen, keinen besonders großen Raum ein.
Verkauf ab Hof
Man denkt vielleicht nicht gleich daran, aber die Vermarktung gehört natürlich auch zu den Arbeiten, die auf einem Weingut anfallen. Der Verkauf ab Hof ist immer noch eine nicht zu verachtende wirtschaftliche Komponente vieler Winzer.
Nicht selten sind in den Weinbaugebieten im Sommer eine Menge Touristen unterwegs. Deshalb herrscht bei den Weingütern, die einen Verkauf ab Hof anbieten – oft in
Zusammenhang mit einer Vinothek mit Ausschank und Speisen – dann Hochbetrieb.
Von Mark Stichler