Der Weinbau und der Frost

Frostige Nächte im Weinberg

Beinahe jedes Jahr werden die Weinberge vor allem in Deutschland, Österreich und Nordfrankreich von starkem Frost heimgesucht. In nur wenigen kalten Nächten verlieren die Winzer oftmals schon kurz nach dem Austreiben der Reben einen erheblichen Teil der potentiellen Ernte. Auch vergangene Woche hat der Frost wieder zugeschlagen. Winzer an der Mosel, im Rheingau, in Württemberg und von der Loire haben Auskunft gegeben …

In Deutschland waren die Weinbaugebiete entlang des Rheins und vor allem der Mosel stark betroffen. Aber auch andere Regionen hatten in den Tagen zwischen 22. und 25. April mit dem Frost zu kämpfen. Die Kälte beschädigte oder zerstörte die jungen Triebe, was zu deutlichen Verlusten führte, in manchen Lagen sogar bis zu 100 Prozent.

Auch in Österreich gab es einen Frosteinbruch. Dort hielt er sogar noch länger an. In der Wachau rechneten einige Winzer mit Frostgefahr bis zum Wochenende am 27. April. In Frankreich waren Weinberge an der Loire, im Burgund, in Bordeaux und der Champagne betroffen. Die Winzer setzten dort Schutzmaßnahmen wie Bewässerung oder Heizvorrichtungen ein, um die Schäden zu begrenzen. Auch hier kann man jedoch von einer deutlich reduzierten Erntemenge ausgehen.

Die Nächte mit Temperaturen unter null Grad Celsius, die nach einem verhältnismäßig warmen Jahres- oder Frühlingsbeginn inzwischen sehr oft zur Zeit des Austriebs einbrechen, zeigen die Anfälligkeit des Weinbaus gegenüber extremen Wetterbedingungen. Winzer sind deshalb nicht nur besorgt über Auswirkungen auf die Ernte 2024. Sie befürchten einen langfristigen Einfluss auf die Weinberge, dem sie begegnen müssen.

Stimmen unserer Winzer
Rainer Schnaitmann, Württemberg
Wir gehen von mindestens 60 Prozent Schaden aus. Genau kann man das nicht beziffern, es ist aber eher mehr…

Kathi Moser, Vitikultur Moser, Kremstal, Österreich
In den Ortschaften in der Donauregion hat der Frost teils massiv zugeschlagen. Sogar in den Hanglagen gab es große Schäden, ganz zu schweigen von den ebenen Lagen. Manche Winzerkollegen und Kolleginnen sprechen von 60 – 80 Prozent Ausfall. Bei uns hat es sich Grenzen gehalten, die Gefahr scheint derzeit gebannt zu sein. Wir haben nur zehn Prozent unserer Kremstaler Flächen in der Ebene. In einer 1,5 Hektar-Lage sind aber 90 Prozent der Triebe kaputt. Aber wie gesagt, wir hatten noch Glück.

Wir haben an den Vorabenden der Frostereignisse dynamisiertes Baldrian-Präparat in den ebenen Lagen ausgebracht. Wir haben den Eindruck, das mildert den negativen Einfluss des Frosts. Aber mehr als 1 bis 2 Grad kann man sicher nicht wettmachen. Am späten Nachmittag oder frühen Abend vor dem Frostereignis ausgebracht, soll es pflanzeneigene Abwehrstoffe mobilisieren und Prozesse auslösen, die der Rebe helfen, den Frost kurzfristig zu überdauern.

Ivan Massonat, Domaine Belargus, Loire
Wir wurden dieses Jahr nahezu verschont, nicht wie in 2019 und 2021, als wir ungefähr 70 Prozent der Ernte verloren haben. Wir haben in Infrarot-Kabel investiert, eine neue Technologie, die uns ziemlich effektiv geschützt hat.

Theresa Breuer, Weingut Georg Breuer, Rheingau
Ich kann es kaum glauben, aber wir sind mit gefühlt 128 blauen Augen davon gekommen und haben lediglich in Lorch einen minimalen Schaden. Wir denken an all die Kollegen, die gerade eine heftige Klatsche von der Natur bekommen haben und drücken allen die Daumen, dass es in der Vegetation etwas normaler weitergeht.

Simone Leiner, Weingut Jürgen Leiner, Pfalz
Es ist schon echt kurios. Die Reben haben durch die ersten warmen Tage im April ganz schön Gas gegeben, daher ist der Frost echt nicht gut. Wir haben mit Baldrianblütenextrakt die Reben gestärkt und unterstützt … Aktuell scheint es bei uns nicht die Riesenschäden zu haben, wie teilweise ein , zwei Orte weiter …

Natürlich hat der Frost auch teilweise Anlagen eiskalt erwischt, allerdings verzeichnen wir sehr gute Erfolge mit unserer Baldrianblütenextrakt-Behandlung in den Frostnächten. Dieses selbst hergestellte Präparat bringen wir zur Stärkung und Stabilisierung der Reben vor Sonnenaufgang aus. Es wirkt akut und beruhigt im Nachgang.

Gerlinde John, Weingut Frank John, Pfalz
Diese Woche war bei uns sehr spannend. Ja, wir haben in ein paar kritischen Lagen Feuer gemacht und sind haarscharf an einem größeren Schaden vorbeigekommen. Wir haben in den betroffenen Lagen ungefähr 5 – 10 Prozent Schaden.

Ein Überblick über die deutschen Weinbauregionen
Der allgemeine Tenor lautet, dass man die tatsächlichen Schäden des Frosteinbruchs noch nicht endgültig einschätzen könne. Klar ist aber, dass in allen deutschen Weinbauregionen Schäden entstanden sind, je nach Lage und ergriffenen Schutzmaßnahmen in unterschiedlichem Ausmaß.

Am schlimmsten hat es wohl die Seitentäler des Weinbaugebiets Mosel Saar Ruwer getroffen. Hier ist wird in verschiedenen Lagen mit Ernteausfällen von bis zu 80 – 100 Prozent gerechnet. Für das gesamte Anbaugebiet wird mit Schäden von 20 – 30 Prozent gerechnet.

Sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden die Weinberge in Sachsen. Das sagte Felix Hößelbarth, Vorsitzender des Weinbauverbands Sachsen, gegenüber dpa. Die Ernte 2024 , so Hößelbarth, sei größtenteils passé. Die Ausfälle betragen demnach wohl 90 – 100 Prozent.

In Franken und Württemberg geht man von einer Beeinträchtigung der Lagen von ungefähr 50 Prozent aus, allerdings in unterschiedlichem Umfang.

Frost in ganz Europa
Auch in Frankreich hat der Frost eine Vielzahl von Weinbaugebieten getroffen. Im Jura vergleicht man das Jahr schon jetzt mit 2017 und rechnet mit Schäden von bis zu 40 Prozent. Im Burgund dagegen, vor allem an der Côte d’Or, sind die Winzer in diesem Jahr besser weggekommen, so die französische Vitisphere. Allerdings haben auch Anbaugebiete wie Gaillac im Südwesten oder die Provence mit Frost zu kämpfen gehabt. Das ist in diesen Gegenden um diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich.

In Italien soll der Frost laut WineNews vor allem im Trentin, in Südtirol, im Piemont, stellenweise aber auch in Mittelitalien zugeschlagen haben. Das Magazin berichtet von einem zweigespaltenen Italien. Während der Süden, allen voran Sizilien, mit Trockenheit zu kämpfen hat, regnete es in der Toskana, teilweise gab es sogar Schnee. Vor dem Kälteeinbruch im Norden lagen die Temperaturen dort um 2,2 Grad Celsius über dem durchschnittlichen historischen Wert.

Von Judith Baum und Mark Stichler