Die vier Jahreszeiten aus Winzersicht

Teil 1: Was treibt der Winzer eigentlich … im Frühling?

Was passiert das Jahr über im Weinberg und im Keller? In loser Folge gibt unsere Serie Einblick in die vielfältigen Aufgaben, die auf einem Weingut in den verschiedenen Jahreszeiten anfallen. Eine Menge Arbeit ist nötig, bis der Wein schließlich in der Flasche vor uns steht. Wir starten im Frühling, wenn im Weinberg die Reben grünen und sprießen.

Ums Wachstum im Weinberg muss man sich im Frühjahr eher keine Sorgen machen. Das schaffen die Reben allein. Und doch werden durch die Arbeiten der Winzer und Winzerinnen schon zu dieser frühen Jahreszeit im Weinjahr die maßgeblichen Weichen gestellt, wenn es um gesundes Wachstum und Qualität geht.

Wie in allen landwirtschaftlichen Betrieben sind auch der Weinbau und die anfallenden Arbeiten stark vom Wetter abhängig und können zeitlich nicht ganz genau festgelegt werden. Aber natürlich gibt es je nach Jahreszeit einen Ablauf, der eingehalten muss.

Der Rebschnitt
Die Weinrebe ist eine Kletterpflanze und wächst ohne beschnitten zu werden bis zu 20 Meter hoch. Im Frühjahr erfolgt deshalb der Rebschnitt. Der Rebstock wird gekürzt und alte Triebe – altes Holz – entfernt. Das soll verhindern, dass zu viel Energie in Triebe fließt, die später keine Trauben tragen. Ein guter Rebschnitt erfordert viel Erfahrung und Kenntnis der einzelnen Pflanzen. Jede Rebe wird von Hand und individuell beschnitten. Damit kontrolliert der Winzer das Wachstum, verringert die Krankheitsanfälligkeit und reguliert schon früh im Jahr den Ertrag.

Je nach Weinberg und Winzer beginnt der Rebschnitt entweder schon im Winter oder möglichst spät zum Frühlingsanfang. Ein früher Schnitt kurbelt den Austrieb an, das späte Schneiden zögert ihn hinaus. Damit lassen sich beispielsweise Spätfrostschäden vermeiden. Es gibt viele verschiedene Methoden des Rebschnitts, die unter Fachleuten immer wieder für Diskussionen sorgen. Einig sind sich alle immerhin darin, dass er für die Langlebigkeit des Rebstocks und die Qualität der Trauben eine entscheidende Rolle spielt.

Die Rebenerziehung
Sobald die Temperaturen steigen, beginnen die Reben an den Schnittstellen zu bluten– so nennen die Winzer das. Das heißt, es tritt Pflanzensaft aus. Die Knospen wachsen und schwellen an. Das ist das sichere Zeichen, dass die Rebe aus ihrem Winterschlaf erwacht ist und wichtige Nährstoffe von den Wurzeln nach oben transportiert. Darauf folgt das Biegen, bei dem die Fruchtruten nach unten gebogen und an den Drahtrahmen gebunden werden. Das stabilisiert den Rebstock und bringt ihn in die gewünschte Form, damit die Triebe später nicht brechen und ausreichend Licht und Luft bekommen.

Auch beim anschließenden Binden müssen die Winzer sehr sorgfältig arbeiten, denn die einjährigen Triebe brechen leicht und die jungen, geschwollenen Knospen sind sehr empfindlich und dürfen nicht verletzt werden. Um nichts zu beschädigen, sollten dann auch sämtliche Reparaturarbeiten an der Drahtanlage erledigt sein.

Je nach Region gibt es verschiedene Arten der Rebenerziehung. In Griechenland zum Beispiel findet man kreisförmig gebogene Rebstöcke in Bodenvertiefungen, die durch ihre strauchartige Form die Trauben vor Hitze und Wind schützen. Mit ihren spezifischen

klimatischen und geographischen Anforderungen bringt jede Weinregion ihre eigenen Methoden mit sich, von denen die Landschaft immer wieder ein wenig anders geformt wird.

Vom Boden zum Terroir
Das Frühjahr ist auch die Zeit für intensive Bodenarbeit: Solange die Böden feucht sind, können sie leichter bearbeitet werden. Zudem wird Unkraut entfernt und die Erde aufgelockert. Das verbessert die Durchlässigkeit für Wasser und Nährstoffe. Um den Boden mit Mineralien und Spurenelementen anzureichern, ist es dann je nach Bedarf der Rebe auch Zeit fürs Düngen.

Vor allem biodynamisch arbeitende Winzer schwören bei der Bodenarbeit auf Pflanzenvielfalt im Weinberg. Sie jäten bewusst wenig oder pflanzen Wildkräuter zwischen die Reben. Diese Diversität sorgt ganz natürlich für einen reichhaltigen Boden, schützt vor Witterung und stärkt die Rebe, die mit anderen Pflanzen um die vorhandenen Nährstoffe konkurrieren muss. Zudem werden Bienen oder Vögel angelockt, die Schädlinge im Zaum halten.

Wie viel Bedeutung die Qualität des Bodens für den späteren Wein hat, wird unterschiedlich bewertet. Vor allem in Frankreich spielt der Boden – das Terroir – und seine Bestandteile, sei es Kalk, Feuerstein oder Schiefer, eine wichtige Rolle. Er ist neben anderen Faktoren wie Rebsorte und Ausbau ausschlaggebend für den Charakter und die Qualität des Weins. Im Weinbau beschreibt das Terroir die Zusammensetzung des Bodens, die geographische Lage und die lokalen thermischen Gegebenheiten

Schutz der Jungtriebe
Anfang Mai sprießen die ersten jungen Triebe, bei warmem Wetter besonders schnell. Da sie gegenüber Krankheiten sehr empfindlich sind, müssen sie täglich beobachtet und bei Bedarf zügig geschützt werden. Das Wetter spielt natürlich immer eine große Rolle, die richtige Mischung aus Sonne und Regen ist wichtig.
Ökologisch arbeitende Betriebe versuchen, das Spritzen von Pflanzenschutzmitteln möglichst zu reduzieren. Stattdessen soll die Widerstandskraft der Rebe durch Kulturmaßnahmen und Stärkung von nützlichen Insekten im Weinberg erhöht werden. In der Regel weicht man dort, falls notwendig, auf natürliche Schutzmittel aus. Ein Beispiel hierfür ist die Pheromonfalle, die in den Weinbergen oft zu finden ist. Sie verwirrt die männlichen Schädlinge, die dann nicht mehr zu den Weibchen finden.

Young grape leaves in spring time

Runter vom Berg, ab in den Keller
Im Frühjahr ist also einiges im Weinberg zu tun, um den Grundstock für eine gesunde Traubenernte zu legen. Allerdings darf in dieser Zeit auch die Arbeit im Keller nicht vernachlässigt werden. Länger lagernde Weine sollten regelmäßig überprüft und analysiert werden. Die leeren Fässer müssen gesäubert, gewässert und repariert werden. Die Fassweine des letzten Jahres werden abgefüllt, etikettiert und versandt. Nicht zu vergessen ist auch die Außendarstellung des Weinguts: Im Frühjahr finden einige wichtige Weinmessen statt, bei denen die Winzer ihre Weine dem Fachpublikum präsentieren.

Tipps und Anekdoten vom Winzer Bernd Kreis
Zum Abschluss noch eine Anekdote und ein paar Tipps von Sommelier und Weinhändler Bernd Kreis. Er bewirtschaftet seit Mitte der Neunziger Jahre ungefähr einen viertel Hektar Weinberge am Scharrenberg, einer Hanglage in Stuttgart.

O-Ton Bernd Kreis: Vor dem Schnitt muss noch das restliche Holz aus der Drahtanlage herausgenommen, entsorgt oder kleingeschnitten werden. Das beste Training für einen festen Händedruck … Darin war der selige Wilhelm Haag ein Meister. Sein Charaktertest war immer ein langanhaltender, schraubstockartiger Händedruck, begleitet von einem tiefen und feixenden Blick in die Augen. In mir hat er da einen Ebenbürtigen gefunden. Ich glaube, das hat mir viel Hochachtung bei diesem legendären Winzer verschafft.

Das zeitige Frühjahr ist eine gute Zeit für die Bodenbearbeitung. Die Bodenfeuchte erleichtert diese Tätigkeit, besonders wenn man lehmige Weinbergböden oder Mergel hat wie wir. Wenn es trocken ist, wird der Mergel hart wie Beton. Da hackst du dich zu Tode.

Es wird dann auch höchste Zeit für die Düngung, am besten noch vor der Bodenbearbeitung. So wird der Dünger gut eingearbeitet. Gedüngt wird aber nicht jedes Jahr. Sonst werden Rebenwachstum und Ertrag zu üppig. Das ist auch nicht gut für die Gesundheit der Reben. Bei viel Wachstum haben es Pilze einfacher, in Blattgewebe und Beerenhäute einzudringen.

Gegen Pilzbefall kann man je nach Bedarf jährlich den Boden mit Mineralien und Spurenelementen anreichern. Das danken einem die Reben in jedem Fall. Urgesteinsmehl und Algenkalk sind meine Mittel der Wahl. Beide helfen, den Boden gesund und lebendig zu bekommen.

Von Jessica Dueñas