Saint-Chinian, ein raues und großzügiges Land
Camille Valette hat die Domaine Canet-Valette von seinem Vater Marc übernommen. In der Weinhandlung hat er seine Weine präsentiert und mit uns über Land und Leute, seinen eigenen Werdegang und die außergewöhnlichen Weine der Domaine gesprochen.
Camille Valettes Vater Marc bewirtschaftet das Weingut seit Anfang der 90er-Jahre. Sein Anspruch an Qualität und Authentizität der Weine hat damals die lange Zusammenarbeit zwischen ihm und Bernd Kreis begründet.
Marc Valette war früher für die Gewerkschaft tätig, später in der Genossenschaft. Dementsprechend verkaufte er seine Trauben von den Weinbergen im nahegelegenen Saint-Chinian anfangs an die Kooperative. Ab 1992 produzierte er seinen eigenen Wein. Inzwischen bewirtschaftet das Weingut 23 Hektar.
Im Interview erzählt Camille Valette von der Arbeit auf dem Weingut, von den Herausforderungen, die der klimatische Wandel mit sich bringt, den Menschen und den außergewöhnlichen Weinen, die Canet-Valette produziert.
Weinhandlung Kreis: Camille, woher kommt eigentlich das Canet im Namen der Domaine?
Camille Valette: Canet ist der Nachname meines Großvaters mütterlicherseits. Er besaß die Reben im Minervois und hat später die Weinberge in Saint-Chinian gekauft. Mein Großvater hat auch mitgeholfen, aber er war kein Weinproduzent.
WK: Canet-Valette steht für natürliche Bio-Weine, der Ausdruck von Terroir und Region ist euch wichtig. Habt ihr von Anfang an in Bio-Qualität gearbeitet?
CV: Die Traubenproduktion für die Genossenschaft fand noch im konventionellen Stil statt. Ab 1992, als mein Vater begann, seinen eigenen Wein zu machen, hat er auf Bio umgestellt, allerdings noch ohne Zertifizierung. Die Biodynamie war und ist ihm etwas zu dogmatisch. Mir übrigens auch. Wir sind inzwischen schon lang bio-zertifiziert und dann macht man zusätzlich, was einem nötig erscheint oder eben nicht.
WK: Wie arbeitet ihr heute im Weinberg? Habt ihr beispielsweise Pferde im Einsatz?
CV: Nein, wir arbeiten mit Traktoren und Lesemaschinen, stellen aber mehr auf Handarbeit um. Wir haben zwei Angestellte, die überall mit anpacken, wo es nötig ist.
Bei der Lese beispielsweise arbeiten wir fast nur mit Leuten aus dem Ort, doch viele der Helfer sind jetzt zu alt. Und wir haben 23 Hektar … Deshalb auch die Lesemaschinen. Wir können keine Arbeiter von woanders holen, hätten auch gar keinen Schlafplatz für sie.
WK: Spürt ihr beziehungsweise wie spürt ihr die klimatischen Veränderungen in Saint-Chinian?
CV: Vor allem in der Unberechenbarkeit des Wetters und wir haben auch mehr Starkregen.
WK: Wie wirken sich die Veränderungen bei der Arbeit aus?
CV: Die Winter sind weniger kalt, die Sommer werden länger. Bis auf die Starkregen hatten wir über zwei Jahre kaum Niederschläge. Die warmen Sommer führen zu früheren Ernten. Vor zehn Jahren war die Lese normalerweise im September, jetzt eher Ende August. Wir lesen auch früher, um weniger Alkohol und mehr Frische im Wein zu haben.
WK: Mal zu dir: Seit wann arbeitest du auf der Domaine mit?
CV: Seit 2022.
WK: Und dein Vater? Ist der noch aktiv dabei?
CV: Mein Vater ist schon sehr lange nierenkrank. Er arbeitet schon noch mit, aber eigentlich nur administrativ.
WK: Und was ist dann dein Hauptaufgabengebiet auf dem Weingut?
CV: Ich bin sowohl im Keller als auch im Weinberg.
WK: Hast du Weinbau studiert oder eine Lehre gemacht?
CV: Ich hab eine Lehre gemacht. Immer zwei Wochen Schule und zwei Wochen Weinberg im Wechsel.
WK: War es schon immer dein Wunsch, auf dem Land als Winzer zu leben und zu arbeiten? Oder war das eine Entwicklung und das Interesse kam erst später?
CV (lacht): Nein, ich habe zuerst in Straßburg Literatur studiert. Aber das war nichts für mich. Und nach ein paar Semestern habe ich mich entschieden, lieber etwas Handwerkliches zu machen. Ich bin auch zufrieden mit der Entscheidung. Ich liebe die Arbeit im Weinberg und im Keller.
WK: Gibt es eine andere Region in Frankreich, deren Weine du neben den eigenen besonders spannend findest?
CV: Ja, die Loire finde ich spannend. Und vor allem das Elsass. Ich liebe Riesling. (Er lacht.) Na ja, meine Mutter kommt aus dem Elsass …
WK: Und welches ist dein Lieblingswein aus der eigenen Produktion? Wenn man so was sagen kann.
CV (überlegt nur kurz): Ivresses …
(Anmerkung der Redaktion: Der Ivresses ist ein kraftvoller, schmackhafter Wein, der zu 90 Prozent aus Grenache gekeltert wird und einerseits den Geschmack der Region transportiert, andererseits aber auch sehr zugänglich und unkompliziert ist.)
WK: Camille, vielen Dank für das Gespräch und die Infos.
Weitere Infos zum Weingut:
Die Domaine Canet-Valette liegt in Cessenon-sur-Orb, einem kleinen Dorf ungefähr zehn Kilometer westlich von Saint-Chinian. Die Familie Valette, vor allem Camilles Vater Marc, sind sehr verbunden mit dem Land, den Leuten der Region und den Traditionen. Das heißt, Zeit mit Freunden im Bistrot und beim Rugby – einer der Nationalsporte im Languedoc – zu verbringen. Die Valettes sind im besten Sinne bodenständig. Und sie möchten Weine erzeugen, die von den Gegebenheiten der Landschaft und den typischen Rebsorten der Region geprägt sind. Unserer Meinung nach gelingt ihnen das ganz hervorragend.
Diese Weine haben wir von der Domaine Canet-Valette im Sortiment:
Ein frischer, leicht fruchtiger und würziger Wein mit dezentem Gerbstoff, den man am besten leicht gekühlt trinkt.
Eine strenge Ertragsbeschränkung und der Ausbau in gebrauchten großen und Halbstückfässern geben dem Wein Substanz und Struktur, trotzdem wirkt er dank der reifen Gerbstoffe sanft und samtig. Im Geschmack findet man dunkle Beeren und die Kräuter der Garrigue.
90 Prozent Grenache verleihen dem Ivresses ein Aroma von roten und dunklen Beeren, reife Himbeeren. Er bringt Frische mit und doch auch Kraft und Dichte.
Der kraftvollste Wein der Domaine besteht aus Grenache, Syrah und Mourvèdre, bietet ein hervorragendes Lagerpotenzial und wird 36 Monate ausgebaut. 50 Prozent davon lagern für 24 Monate in Barriques. Auch der Maghani besticht durch Dichte und Fülle und gleichzeitig durch eine feine Samtigkeit, der Gerbstoff wirkt zu keiner Zeit anstrengend. Ein vielschichtiger Wein mit langem Nachgeschmack.
Von Mark Stichler