Sherry – Varianten und Herstellung

Andalusiens unbekannte Größe

Sherry – da winken viele Weinliebhaber pauschal lieber mal ab. Die Vorurteile sind ungezählt: zu alkoholreich, zu süß, merkwürdig im Geschmack, welche Variante war noch mal trocken? Tragisch, wie viel Aromenvielfalt man damit verpasst. Sherry bietet eine Fülle an unterschiedlichen Ausbauarten und Geschmacksrichtungen. Da gibt es eine Welt für sich zu entdecken …

Ganz unten in Andalusien, dem südlichsten Zipfel Spaniens, bilden die Städte Jerez de la Frontera und an der Küste Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María das sogenannte Sherry-Dreieck. Jerez-Xérèz-Sherry nennt sich das Weinbaugebiet offiziell. Die Leitrebsorte der Region ist ganz klar die autochthone Palomino. Neben Palomino kommen bei der Sherry-Produktion aber auch die Sorten Pedro Ximénez und Moscatel zum Einsatz.

Die Sherry-Arten – eine breite Palette

Die Vielfalt der verschiedenen Sherry-Arten ist vielleicht ein Grund dafür, dass sich der Wein auf dem deutschen Markt immer noch schwertut. Es gibt verschiedene Ausbauarten im trockenen, halbtrockenen und restsüßen Bereich. Natürlich gibt es wie in allen Weinregionen je nach Produzent auch unterschiedliche Qualitäten. Das, was bei uns in den Supermarktregalen steht, ist meist keine gute Referenz für Sherry. Dabei bringt ein qualitativ hochwertiger Sherry ein tolles Aromenspektrum und viel Spannung mit.

Trockene Sherrys Teil 1 – Fino und Manzanilla

Nach der Fertigstellung des Grundweins für Fino und Manzanilla wird er mit Weingeist auf ungefähr 15 bis 18 Volumenprozent aufgespritet. Danach kommt der Wein in gebrauchte Holzfässer, die allerdings nicht spundvoll, sondern nur zu ungefähr 80 Prozent aufgefüllt werden.

Sowohl Fino als auch Manzanilla werden im Prinzip also oxidativ ausgebaut. Das besondere Klima der Sherry-Region sorgt aber dafür, dass sich zügig eine Schicht Florhefe auf der Oberfläche bildet, die den Wein luftdicht abschließt und eine Oxidation verhindert. Wesentlich für das Entstehen der Florhefe sind unter anderem der Luftkontakt und eine weitgehend konstante Temperatur von 15 bis 20 Grad Celsius.

Zwischen Manzanilla und Fino gibt es nur einen wesentlichen Unterschied: Während in Sanlúcar de Barrameda, dem einzig zugelassenen Herkunftsort für Manzanilla, die konstantere Temperatur das ganze Jahr für eine permanent geschlossene Florhefedecke sorgt, bricht beim Fino im restlichen Sherry-Gebiet die Schicht im Sommer und im Winter auf. Das wiederum verleiht dem Fino schließlich doch noch eine leichte Oxidation.

Beide Varianten sind  absolut trocken. Der Fino ist oft kraftvoller, mit Aromen nach Nüssen, Mandeln und Äpfeln. Der Manzanilla ist stark von der Seeluft geprägt und weist viel Minarlität auf, die sich durch eine feine Salzigkeit ausdrückt. Aufgrund der durchgängig reduktiven Ausbauweise wirkt er frischer und feiner. Beide Varianten passen hervorragend zu lokalen Tapas wie Schinken, Oliven und Meeresfrüchten. Sie können aber auch sehr gut zu gebratenem oder gegrilltem Fisch serviert werden.

Trockene Sherrys Teil 2 – Amontillado, Palo Cortado und Oloroso

Der Amontillado reift wie Fino ebenfalls unter einer Florschicht. Nach dem Absterben der Florhefe lagert man ihn aber länger, so dass er oxidativ nachreift. Dies gibt ihm zum einen eine topas- bis bernsteinähnliche Farbe, zum anderen ein etwas kraftvolleres, nussiges Aroma, oft mit ätherischen Noten verbunden. Der Alkoholgehalt liegt etwas höher als beim Fino und Manzanilla. In Spanien wird er ebenfalls trocken angeboten. Die Varianten für den Export weisen allerdings ab und zu eine dezente Restsüße auf. Leicht gekühlt passt der Amontillado beispielsweise zu kräftigen Suppen, Pilzen oder gegrilltem Gemüse.

Die Variante Palo Cortado ist eigentlich ein Zufallsprodukt. Er entstand durch ein unkontrolliertes plötzliches Absterben der Florhefe während des Ausbaus der Grundweine zum Fino. Dadurch erfolgte dann eine Oxidation. Inzwischen verursachen die Produzenten den Effekt durch ein zweites Aufspriten bewusst, um aus speziell ausgewählten Mosten einen Palo Cortado herzustellen.

Im Palo Cortado vereinen sich die feinen Aromen des Amontillado mit denen des kräftigeren Oloroso. Palo Cortado weist gegenüber dem Amontillado ein etwas komplexeres Geschmacksbild auf. Leicht gekühlt harmoniert er mit Nüssen und Mandeln, verschiedenen gereiften Hartkäsen und Fleischgerichten.

Zu Beginn der Reifung bestimmen die Sherry-Produzenten die Fässer, deren Weine zum Oloroso (spanisch für duftend) werden sollen. Diese werden mit Branntwein versetzt, um eine Florbildung zu verhindern. Oloroso reift ausschließlich oxidativ und entwickelt sich in dem langen Reifeprozess zu einem trockenen, würzigen, mahagonifarbenen Wein. Seine hohe Konzentration macht ihn zu einem guten Begleiter für kräftige, würzige Gerichte wie Eintöpfe, Wild oder lang gereiften Käse.

Medium Sherry, Pale und Pale Cream

Die Vinos Generosos de Licor genannten Sherry-Varianten entstehen hauptsächlich aus einem Verschnitt von Vinos Dulces Naturales (natursüßen Weinen) mit trockenen Generoso-Grundweinen. Das Verfahren nennt man Cabeceo. Cream-Sherry beispielsweise besteht aus einem Blend von Oloroso und Vinos Dulces Naturales oder rektifiziertem Traubenmostkonzentrat. Der Extraktstoffgehalt muss nach dem oxidativen Ausbau mehr als 115 Gramm betragen.

Pale Cream wird dagegen aus einem Verschnitt von Fino oder Manzanilla und Traubenmostkonzentrat hergestellt. So wird im Gegensatz zu einem Verschnitt mit Süßweinen die eher helle Farbe erhalten.

Auch der Medium Sherry ist ein Verschnitt, entweder aus Traubenmostkonzentrat oder einem natursüßen Wein und einem Amontillado hergestellt. Der Extraktstoffgehalt liegt zwischen 5 und 115 Gramm. Das ist eine relativ weite Spannbreite, deshalb wird noch einmal zwischen Medium Dry – unter 45 Gramm – und Medium Sweet unterteilt.

Die Medium- und Pale-Sherrys lassen sich schon sehr gut zu verschiedenen Desserts auf Fruchtbasis einsetzen, Birnen und ähnlichem, eventuell mit einer nussigen Komponente. Die restsüßeren Varianten passen auch sehr gut zur Gänseleber.

Pedro Ximénez und Moscatel – die süße Variante

Pedro Ximénez ist ein tiefdunkler, fast schwarzer und sehr konzentrierter Sherry, der sich beim Schwenken nur behäbig im Glas bewegt. Auf der Flasche findet man meist schlicht die Bezeichnung P.X. Den hohen Extrakt erreicht man durch die Trocknung der Trauben. Dadurch entsteht die voluminöse Süße des P.X., der vielschichtige Aromen von getrockneten und kandierten Früchten mit sich bringt. Trotzdem bewahrt der Wein eine gewisse Säure, die ihm im Spiel mit der Süße Spannung und Frische verleiht.

Die Farbe des Moscatel erinnert eher an Mahagoni. Aromatisch bringt er mehr Agrumen wie Zitrus und Orangenschale mit, auch etwas Florales und Blütennoten. Zur Herstellung des Moscatel werden die Trauben wie beim P.X. auf Matten zum Trocknen ausgelegt. Das Verfahren hat eine lange Tradition und nennt sich Asoleo.

Nach der Trocknung wird gepresst, der Most weist eine hohe Zuckerkonzentration auf. Die folgende Gärung wird durch die Zugabe von Branntwein wieder abgestoppt. Der Ausbau erfolgt oxidativ. Ein Moscatel kann aufgrund seines Ausbaus auch im Anbruch einige Monate aufbewahrt werden, ohne seine frischen, fruchtigen Komponenten zu verlieren.

Beide Weine sind klassische Dessertweine, die leicht gekühlt getrunken werden sollten. Der P.X. passt sehr gut zu Desserts auf Basis von dunkler Schokolade, Pflaumen, Nüssen und Früchten oder zum Roquefort. Den Moscatel kann man sehr gut mit Früchten, Gebäck oder Cremes mit geringerer Süße einsetzen.

Lagen und Böden

Im Anbaugebiet Jerez-Xérèz-Sherry herrscht ein vorwiegend warmes Klima mit trockenen, heißen Sommern und kühlen Nächten. Die Nähe zum Atlantik sorgt für kräftige Winde, die aus dem Westen kühl und feucht, aus dem Osten sehr trocken und heiß sein können.

Die weißen Kreideböden, Albariza genannt, gelten als die besten für die Palomino-Traube. Sie kommen überwiegend an den sanften Hanglagen vor. Der Albariza speichert das Wasser der Niederschläge im Herbst und Winter und ist reich an Kalk und Silizium. Die Oberfläche besteht aus feinen, weißen Steinchen und erinnert von weitem fast an Schneehügel.

In den heißen Monaten gibt der Kreideboden nach und nach seine gespeicherte Feuchtigkeit ab, was den Reben zugutekommt. Der Ertrag auf Albariza ist nicht sehr hoch, dafür aber die Qualität. Früher wurden auch die so genannten Barros (Lehmböden) intensiv bewirtschaftet, heute ist das eher selten. An den Küstengebieten wird auf den rötlich sandigen Böden, die man Arenas nennt, hauptsächlich Moscatel angebaut.

Solera: Die ganz besondere Methode

Zur Reifung von Sherry, Madeira und Brandy, aber auch von Sherry-Essig kommt die so genannte Solera-Methode zum Einsatz. Solera bezeichnet im Spanischen den Bodensatz eines Weins oder des Fasses.

Im Solera-Verfahren durchläuft der Wein mehrere Lagen aufeinandergestapelter Fässer. Das Verfahren benötigt mindestens drei Lagen. Zuunterst, also am Boden liegen die „Soleras“. Darüber folgen mehrere „Criaderas“ – von spanisch criar, das bedeutet so viel wie züchten, aufziehen –, deren Weine aufsteigend jünger werden. Zuoberst wird der Wein des neuesten Jahrgangs gefüllt, Sobretabla genannt.

Der abfüllbereite Wein wird aus der Solera, der untersten Fasslage, gezogen. In der Regel wird daraus maximal ein Drittel des Inhalts gezogen, die Fässer dann mit dem Wein der ersten Criadera aufgefüllt. Diese wiederum wird mit der zweiten Criadera aufgefüllt und so weiter. Laut den Bestimmungen der Herkunftsbezeichnung dürfen maximal 40 Prozent des Gesamtbestands verkauft werden, um eine Mindestreifezeit von zwei Jahren zu garantieren.

Speziell und spannend: En Rama

Mit der Bezeichnung en Rama bezeichnet man einen Manzanilla oder Fino, der unfiltriert und nicht kältebehandelt abgefüllt wird. In Deutschland waren die Weine lange Zeit gar nicht zu finden, inzwischen gibt es aber ein paar Händler, die diese frische, aromatische Sherry-Variante anbieten. En Rama bedeutet so viel wie „vom Zweig“. Der Charakter erinnert etwas an einen Fassabzug, die Aromatik ist von der Hefe und oft von nussigen Noten und gelben Früchten geprägt. Die Weine sind nicht sehr lagerfähig und sollten innerhalb weniger Monate getrunken werden.

Von Jessica Dueñas