Lokaltermin Nackenheim: Zehn Jahre Johannes Hasselbach.
Zusammen mit Vertretern aus der Fachpresse war Kilian Kreis in Nackenheim. Johannes Hasselbach vom Weingut Gunderloch hat eingeladen und die Veränderungen auf dem Weingut und in den Weinbergen nach zehn Jahren seiner Mitwirkung erläutert. Neben einem Ausblick in die Zukunft gab’s natürlich auch noch ein Probe mit Großen Gewächsen des Weinguts.
Gunderloch steht für Fans deutscher Weine ganz klar für Riesling. Genauer gesagt für Riesling vom Roten Hang, einer der wenigen Steillagen im sonst eher flachen Rheinhessen. Der Name wird schnell klar, wenn man davor steht: Eisenhaltige Minerale färben den Boden tiefrot. Seit 130 Jahren bewirtschaftet die Familie Hasselbach/Gunderloch dort Weinberge in besten Lagen.
Die Weine von Johannes Hasselbachs Vater Fritz sind legendär. Damals war das Weingut vor allem für seine restsüßen Auslesen, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen weltberühmt, der Fokus lag aber immer mehr auf trocken ausgebauten Rieslingen. Die Qualität der Weine zu halten und das Weingut gleichzeitig in eine neue Ära zu führen, war sicher nicht leicht. Nach zehn Jahren kann man aber getrost sagen: Johannes und sein Team haben es geschafft.
Das VIRGO-Experiment
Seit er 2012 ins Weingut eingestiegen ist, arbeitet Johannes daraufhin, den Weinberg und den Keller mehr sprechen zu lassen, dem Wein mehr Eigenständigkeit zu verleihen. Er hat mit kleinen Experimenten angefangen, beispielsweise mit dem Riesling VIRGO, das Akronym für ‚Vergoren im Rothenberg ganz ohne“. Herstellungstechnisch bedeutet das, eine Amphore Riesling wurde zur Gärung in einer verbuschten Parzelle eingegraben, ohne Zusätze von Hefe, Nährstoffen, Enzyme und so weiter … Es sollte ein Wein entstehen, der den Rothenberg zu hundert Prozent widerspiegelt.
Die kräftige Struktur des Rothenbergs ist in dem Wein deutlich spürbar. Er ist sehr puristisch, mineralisch und mit Aromen von getrockneten Wiesenkräutern und Minze. Es zeigt sich eine erste Reife mit Noten von gerösteten Walnüssen und Butterkaramell, insgesamt wirkt der Wein aber noch frisch und weist keinerlei Altersmüdigkeit auf. Leider werden die VIRGO-Weine nur zu besonderen Anlässen auf dem Weingut ausgeschenkt.
Veränderungen im Keller und im Weinberg
Im Keller hat sich über die Jahre einiges geändert. Johannes vergärt inzwischen alle Weine spontan, ohne Zugabe von Reinzuchthefe. Dafür macht er seit 2015 jedes Jahr eine so genannte Pied de cuve, einen Gäransatz, damit der Wein nicht mit den selektierten Hefen geimpft wird, die sich über die Jahre im alten Keller angesiedelt haben. Das funktioniert folgendermaßen: Kurz vor der eigentlichen Lese werden einige Trauben geerntet, gepresst und in offenen Gärballons im Weinberg stehengelassen. Die weinbergeigene Hefeflora kann so den Most besiedeln und sich vermehren. Dieser Gäransatz wird anschließend zu den gepressten Mosten der eigentlichen Lese zugegeben. So können diese direkt mit den wilden Hefen in die Gärung starten.
Bei seinen Orts- und Lagenweinen setzt Johannes auf große Holzfässer. Edelstahltanks verwendet er nur noch für die Gutsweine. Die Maischestandzeit beträgt inzwischen bis zu drei Tage, teilweise mit ganzen Trauben. Auch im Weinberg hat sich einiges verändert: Schon früh erfolgte bei einzelnen Parzellen die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung, um zu sehen wie das Weingut damit zurechtkommt. Mit dem Jahrgang 2022 ist die Umstellung komplett und die Weine sind biozertifiziert. Der Betrieb hat sich in den letzten zehn Jahren auf knapp 30 Hektar vergrößert, Rieling macht dabei knapp 80 Prozent der Produktion aus, ungefähr die Hälfte liegt im Roten Hang.
Nachhaltigkeit ist ein Gesamtprojekt
Die Nachhaltigkeit hört bei Gunderloch nicht im Weinberg auf. Das Weingut verwendet mit dem neuen Jahrgang leichtere Flaschen. Leichtglasflaschen sind einer der einfachsten Wege, den CO2 Fußabdruck eines Weines zu verkleinern. Insgesamt benötigt man so weniger Glas und der Transport wird energieeffizienter. Außerdem kommen wieder Korken anstatt die bisher genutzten Vinolock-Drehverschlüsse zum Einsatz. Der Grund: Korken verschlingen in der Herstellung deutlich weniger CO2 als ein Schrauber und sind einfacher zu entsorgen. Auf die Folienkapsel aus Plastik oder Zinn um den Flaschenhals verzichtet Gunderloch künftig.
Zu den Weinen…
Nach einer Fahrt in den Roten Hang inklusive der spannenden Verkostung des 2013er VIRGO und einer exzellenten Rothenberg-Auslese von 2010, wartete im Weingut eine Vertikale von 2012 bis 2022 aus dem Rothenberg auf uns. Dabei war eine stetige Entwicklung und Stilfindung zu erkennen und doch zog sich die Lage Rothenberg als Erkennungsmerkmal klar durch die Vertikale. Jeder der verkosteten Weine ist kraftvoll, ohne plump zu wirken. In jedem Wein findet sich eine an Wiesenkräuter und Heu erinnernde Würze wieder, die oft von einer ätherischen Komponente wie Minze oder Eukalyptus unterstützt wird. Dazu kommt eine reife Zitrusaromatik mit einer anregenden Bitternote wie von Blutorange oder Grapefruit.
Die Weine im einzelnen:
2012 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Deutlich geprägt von reifen Zitrusfüchten, trockener Geschmack, breitschultrig aber elegant. Anfangs ist der Wein etwas verschlossen, er profitiert von viel Luft!
Sehr Gut (-)
2013 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Auch der 2013er benötigt viel Luft. Mit etwas Zeit im Glas zeigt sich der Duft von vollreif gelesenen Riesling-Trauben. Das bestätigt sich am Gaumen mit saftigen Nektarinen, Orangezesten und Pink Grapefruit. Der Abgang ist lang, kräutrig, ätherisch und salzig.
Sehr Gut
2014 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Sehr verschlossen und noch leicht reduktiv. Die Reduktion erinnert an Gummi, ähnlich einer Dose Tennisbälle oder einem neuen Fahrradreifen. Das verfliegt nach kurzer Zeit und weicht Haselnüssen, später einer Fruchtigkeit. Der Fruchtausdruck ist etwas feiner, zurückhaltender, mit Anklängen an weißen Pfirsich und frische Zitrusaromen, dazu Minze und Eukalyptus. Sehr elegant, erfrischend und lang. Insgesamt ein sehr stimmiger Wein.
Sehr Gut(+)
2015 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
In der Nase ist er überraschend frisch, es finden sich keine Aromen, die an ein heißes Jahr oder die fast acht Jahre Reife hindeuten. Der Wein ist mehr von einer festen Struktur und der Länge geprägt, als von Aromen. Sehr karg, salzig, wenig Frucht.
Sehr Gut
2016 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Die Nase wirkt sehr reif, duftet nach Grapefruit, Quittengelee und Toffee. Am Gaumen kommen Blütenaromen dazu. Feste Struktur und eine zu dem kühlen Jahrgang passende präsente Säure. Aktuell präsentiert sich der Wein offen und bereitet viel Trinkfreude.
Sehr Gut
2017 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Die Nase ist etwas verschlossen. Deutlich zu erkennen sind Aromen von Backhefe und roten Johannisbeeren. Am Gaumen frisch und knackig, hier auch hefig und rauchig mit Aromen von Quitte. Sehr langer, salziger Abgang.
Sehr gut (+)
2018 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Die Nase zeigt sich dem 17er sehr ähnlich. Auch dieser Wein ist sehr jugendlich, die Nase noch von Hefe dominiert, dazu kommen ätherische Noten und viel Zitrus. Am Gaumen eher kräutrig und pfeffrig. Sehr langer Abgang.
Hervorragend
2019 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Offener und reifer als der 18er. Mit Noten von Karamell, leichte Petrol-Anklänge, am Gaumen präsentiert er sich kräutrig-ätherisch.
Sehr gut(-)
2020 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Anfangs floral und balanciert, mit dem Eindruck von Toffee, etwas schmeichlerisch. Der Wein bietet eine starke Diskrepanz zwischen dem Eindruck in der Nase und im Gaumen. Er zeigt Grip, Salzigkeit, eine anregende Bitternote, Pink Grapefruit und frische Quitte. Der harte Cut fängt den ersten, weichen Eindruck ein und umrahmt ihn. Der Wein geht nicht in die Breite und wird nicht soft und langweilig.
Sehr gut
2021 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Sehr ausdrucksstark. Feste Struktur, strahlende Säure, langer Abgang. Riesling par excellence. Saftig, salzig, Mega-power.
Hervorragend
2022 Nackenheimer Rothenberg Riesling Großes Gewächs
Sehr jung, noch von der Hefe geprägt. Viel will er noch nicht preisgeben. Die Nase ist eher von Blüten geprägt, der Gaumen von Zitrusfrüchten und Quitte. Langer Abgang.
Sehr gut (+)
Fazit
Ein Geheimtipp sind die trockenen Weine von Johannes Hasselbach schon lange nicht mehr. Bemerkenswert für mich: Seine Weine aus dem Roten Hang gehören Jahr für Jahr zu den besten Rieslingen, die man in Deutschland bekommen kann. Trotzdem findet immer noch eine Entwicklung statt. Wir können uns also auf die Zukunft der Gunderloch-Weine freuen. Denn Ideen hat Johannes noch jede Menge…
Abschließend zu erwähnen ist noch, dass sich Johannes neben seiner Tätigkeit im Weingut sehr im VDP engagiert. Er setzt sich als Regionalvorstand für den Verband Rheinhessen und im Bundesverband stark für das Thema Nachhaltigkeit ein.