Was macht der Winzer … im Herbst?

Hochbetrieb im Weingut

Im Herbst beginnt die Weinlese und damit die arbeitsintensivste Zeit im Weinberg und im Keller. Vor, während und nach der Lese: Was passiert auf dem Weingut?

Nach Pflanzenschutz und Biegen, Schneiden und Wickeln der Reben rückt für den Winzer endlich der Zeitpunkt näher, die Früchte seiner Arbeit einzuholen. Doch vor der tatsächlichen Weinlese und dem Organisieren der Lesehelfer steht die Bestimmung des Reifegrades der Trauben. Und: Die verschiedenen Rebsorten reifen unterschiedlich schnell. Das heißt, die Weinlese kann sich über Wochen hinziehen.

Wichtiger Indikator: Phenolische Reife
Die Bestimmung der Phenolischen Reife (auch Physiologischen Reife) der Trauben ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Winzers kurz vor der Lese. Dazu gehört zum einen die Bestimmung von Zucker- und Säuregehalt der Beeren, aber auch die des pH-Werts. Der pH-Wert gibt, grob gesagt, ebenfalls die Stärke einer säurehaltigen Lösung an. Dabei gilt: Je säurehaltiger die Lösung, desto niedriger der pH-Wert.

Im Gegensatz zum normalen Säuregehalt, der in Gramm pro Liter angegeben wird, hängt der pH-Wert allerdings auch von anderen Inhaltsstoffen im Wein ab, die bestimmte Säuren beeinflussen können. Die Phenolische Reife hängt auch noch von anderen Faktoren ab. Phenole sind aromatische Verbindungen, beim Rotwein sind vor allem die Tannine und die Anthocyane prägend. Tannine oder Gerbstoffe kennen die meisten Weintrinker. Bei den Anthocyanen handelt es sich um Farbstoffe, die im Lauf der Reife gebildet werden.

Beim Weißwein bestimmen die so genannten Flavone deren Farbe, an der man auch hier die Reife erkennen kann. Außerdem ist beim Weißwein die Balance zwischen Zucker- und Säuregehalt etwas entscheidender.

Sicht- und Geschmacksprüfung im Weinberg
Neben Tests im Labor ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Winzers natürlich die direkte Überprüfung der Trauben. Dazu gehören das Überprüfen des Stielgerüsts und das Schmecken der Trauben. Wenn die Stiele sich langsam von grün nach braun verfärben, deutet das auf eine zunehmende Reife hin. Ebenso natürlich, wenn sich die Beeren von grün nach gelb beziehungsweise rot oder violett verfärben. Auch die Farbe der Traubenkerne gibt Hinweise auf die Reife. Sie sollten ebenfalls eine bräunliche Färbung annehmen.

Neben der Sichtprüfung ist natürlich die Überprüfung des Geschmacks wichtig. Ein erfahrener Winzer erkennt teilweise – je nach Witterung – die Veränderung seiner Trauben kurz vor der Lese von Tag zu Tag. Und so lässt sich die Veränderung in der Süße- und Säure-Balance und in der Reife beispielsweise der Tannine feststellen.

Die Lese – Vollernter und Handlese
Wenn der Winzer entscheidet, dass seine Trauben reif sind, geht’s an die Lese. Dabei wird je nach Bewirtschaftung sehr unterschiedlich vorgegangen. Ein kleines, natürlich arbeitendes Weingut liest seine Trauben in der Regel von Hand. Ein großes, konventionell arbeitendes Weingut verwendet für die meisten Lagen so genannte Vollernter. Das sind Maschinen, mit denen man durch die Rebzeilen fahren kann. Dazu muss der Weinberg aber auch relativ gerade ausgerichtet und nicht zu steil sein. Außerdem müssen die Gassen zwischen den Rebzeilen breit genug sein.

Beide Methoden haben Vor- und Nachteile. Der Vollernter ähnelt einem Traktor, nur ist er höher und schmaler. Die Maschine wurde in den 60er-Jahren in den USA entwickelt. Mit dem Vollernter geht die Lese schneller vonstatten und man benötigt im Idealfall nicht so viele Arbeitskräfte. Er schüttelt die Beeren von den Trauben ab, befreit sie von Ästen und Blättern und kann auch Metallteile aussortieren.

Eine optionale Abbeermaschine kann zudem mitgeerntete Stängel, Rispen und Ähnliches entfernen. In der Sortiermaschine werden dann kleine, faulige Beeren und Trauben aussortiert.

Die Handlese ist deutlich mühsamer und erfordert mehr Zeit beziehungsweise mehr Helfer. Bei ihr gehen die Erntehelfer mit der Rebschere Stock für Stock ab, schneiden die Trauben heraus und sammeln sie in Behältern. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Trauben werden schonender behandelt, es fallen weniger Pflanzenteile mit in die Lese und schon direkt am Stock findet ein erstes Aussortieren unreifer oder fauliger Trauben beziehungsweise Beeren statt.

Früh- und spätreifende Rebsorten
Der Lesezeitpunkt wird von der Reife der jeweiligen Rebsorte bestimmt. Die wiederum hängt einerseits von der Witterung im Jahresverlauf ab und andererseits von ihrer sortentypischen Reifezeit. Und die wiederum ist von Sorte zu Sorte unterschiedlich.

Als eher frühreifend gelten zum Beispiel Ortega oder Müller-Thurgau. Bei der Einteilung, die Victor Pulliat Ende des 19. Jahrhunderts vornahm, nahm er die Gutedel, auch Chasselat genannt, als Referenzrebsorte. Alle Rebsorten, die vor oder ungefähr zeitgleich mit der Chasselat reif sind, gelten als eher frühreifend. Dazu gehören unter anderem Chardonnay, Grauburgunder oder Spätburgunder.

Im mittleren Bereich findet man Rebsorten wie Riesling, Sauvignon blanc, Sémillon und Cabernet Franc. Spätreifende Sorten sind beispielsweise Cabernet Sauvignon oder Grenache.

Ab in den Keller
Vor dem Einbringen der Ernte steht das Reinigen der Fässer und Tanks. Normalerweise werden auch alle Flächen im Keller gesäubert. Ein Teil dieser Arbeit kann aber natürlich auch schon im Sommer stattfinden.

Nach der Lese geht es so zügig wie möglich in den Keller. Dort kann das Verfahren ziemlich unterschiedlich ablaufen. Je nach Weinart und Betrieb werden bestimmte Schritte in der Weinbereitung vielleicht übersprungen oder variiert. Deshalb ist es hier auch nur möglich, den groben oder gängigen Ablauf im Keller zu schildern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Zuerst werden die Trauben entrappt, das heißt, von den Stängeln und Stielen befreit. Manche Weingüter praktizieren bei bestimmten Weinen aber auch die Ganztraubengärung, bei der – zumeist bei Rotweinen – die Stiele und Stängel komplett oder in Teilen mitvergoren werden. Das Entrappen geschieht bei kleinen Betrieben teilweise immer noch von Hand, oft aber auch maschinell.

Nach dem Entrappen werden die Beeren entweder gemahlen und dann gepresst oder nur gepresst. Wichtig bei den verschiedenen Verfahren ist der ausgeübte Druck durch die Presse. Er sollte hoch genug sein, um die Beeren aufplatzen zu lassen, aber nicht zu hoch, um die Kerne nicht zu beschädigen, die unerwünschte Bitterstoffe freisetzen könnten.

Nach dem Pressen erhält man die Maische. Sie besteht aus dem Saft, den Schalen, Kernen und dem Fruchtfleisch, gegebenenfalls auch aus den Stängeln und Stielen.

Die Herstellung von Weiß-, Rosé- und Rotwein
Wir wollen nicht detailliert auf die Weinbereitung im Einzelnen eingehen, da sich auch hier die Vorgehensweisen unterscheiden können. Ein kurzer Überblick soll aber die Unterschiede in der Produktion von Weiß-, Rosé- und Rotwein zeigen.

Bei der Weißweinproduktion trennt man den Saft direkt nach dem Pressen von den Schalen, Kernen und vom Fruchtfleisch. Manchmal lassen die Winzer einen kurzen Maischekontakt zu, um die Struktur und damit den Charakter des Weins zu verändern. Klassischerweise wird der Saft aber ohne den Rest der Maische vergoren.

Bei der Produktion von Rotwein arbeitet der Winzer mit der so genannten Maischegärung. Das heißt, der Saft vergärt zusammen mit der Maische für unterschiedlich lange Zeit. Die bei der Gärung entstehende Kohlensäure transportiert die Maische an die Oberfläche, wo sie den Tresterhut bildet. Der Tresterhut wird immer wieder untergetaucht oder unter die Oberfläche gedrückt, um Farbstoffe und Tannine auszulösen. Diesen Vorgang nennt man Pigeage.

In handwerklich arbeitenden Betrieben findet die Pigeage mit langen Stäben, teilweise auch mit den Füßen statt, um dem gärenden Most nicht zu viel Stress zu bereiten. Industriell arbeitende Betriebe jedoch pumpen den Most einfach von unten nach oben. Dieses Verfahren wird Remontage genannt. Es gilt als sicher, dass es der Qualität des späteren Endprodukts nicht zuträglich ist.

Bei Rosé geht man auf ähnliche Weise vor wie beim Rotwein. Allerdings wird der Saft deutlich früher von der Maische abgezogen, um die hellere Farbe und wenig Prägung vom Gerbstoff zu erhalten. Es gibt je nach Region und Tradition unterschiedliche Verfahren, um Rosé herzustellen.

Beim Orange-Wein gehen die Winzer im Prinzip vor, wie bei der Herstellung von Rotwein, nur mit weißen Trauben.

Die Hefe macht den Wein
Ein geflügeltes Wort vor allem in der handwerklichen Weinproduktion lautet: Der Wein entsteht im Weinberg. Soll heißen, wer seinen Weinberg sauber und natürlich bewirtschaftet und gesundes Lesegut in den Keller bringt, hat den wichtigsten Teil der Arbeit schon getan.

Das ist sicher nicht falsch. Trotzdem spielt die Arbeit im Keller natürlich eine wichtige Rolle. In naturnahen und handwerklich arbeitenden Betrieben setzt man beispielsweise auf keller- und weinbergeigene Hefen und Spontanvergärung. Das heißt, der Most wird durch im Keller natürlich vorkommende Hefestämme vergoren, also der Zucker in Alkohol umgesetzt. Dabei kommen je nach Jahresverlauf und physikalischer Reife des Leseguts unterschiedliche Aromen und Strukturen heraus.

Viele Weingüter vergären den Most mit so genannter Reinzuchthefe, die ein Geschmacksbild und auch den Gärprozess verlässlicher erbringt. Allerdings leidet dabei die Individualität des Weins, der vielleicht nicht mehr ganz authentisch den Jahrgang und das Terroir widerspiegelt.

Ab ins Fass …
… oder die Amphore oder den Stahltank. Nach der Gärung und dem Abstich wird der Wein zum Lagern und Reifen in verschiedene Lagerbehälter gefüllt. Beim Abstich wird der Wein vom Bodensatz, das heißt von den Hefezellen, Schalen, Trubstoffen und Fruchtfleischresten abgezogen. Der Abstich erfolgt durch Umpumpen oder – schonender – durch Ablassen in einen Behälter.

Dann kommt die Reifephase in Fässern verschiedener Größe, Stahltanks, Amphoren, Betontanks oder Ähnlichem. Die Reifephase kann sich je nach Qualität des Weins und Intention des verarbeitenden Betriebs über viele Monate oder Jahre hinziehen und wird streng kontrolliert. Dazu mehr bei ‚Was macht der Winzer eigentlich … im Winter‘.

Von Mark Stichler